Wednesday, April 29, 2009

Grand Ole Opry

Wie gesagt, wir beiden Eltern waren letztes Wochenende in Nashville - wärend Oma und Opa zuhause die Kiddies gebändigt haben.
Das haben wir dann so richtig ausgenutzt - Shopping, Mittelalterausstellung und die Grand Ole Opry.
Selbst wenn man mit Country Music nicht unbedingt etwas anfangen kann, gehört das einfach dazu wenn man in Nashville ist.
Die Opry ist eine amerikanische Ikone wie Coca Cola, McDonalds, Football und 6-Liter Autos (nicht der Spritverbrauch, sondern der Hubraum ist damit gemeint ...).
Angefangen hat alles 1925 als Radioprogramm einer Versicherung, die es als Werbevehikel benutzte. Danach entwickelte sich die wöchentliche (Live-)Show schnell zu einem der populärsten Events der Vor-TV Zeit.
Ab 1978 wurde die Show dann live im TV übertragen, bleibt aber auch weiterhin als Radioprogramm empfangbar.
Leider habe ich die genaue Zahl vergessen, aber die Sendung bei der wir zugegen waren, war wohl irgendetwas in den 3600ern.
Ist also eine recht betagte Institution - und so wahnsinnig viel hat sich da seit dem Anfang vor über achtzig jahren auch nicht geändert ...

Nun ja, in eine neues Gebäude sind sie 1974 gezogen. Es häßlich zu nennen würde zwar stimmen, aber am Kern der Sache doch vorbeigehen.
Es hat den Charme eines Gefängnisses und die Zweckmäßigkeit eines Bürogebäudes. Und auch innen ist es eher rustikal-einfach und zweckmäßig. Kein Hauch von Grandezza, keine Spur von Patina oder gar opernhafter Erhabenheit, wie es der Name vielleicht vermuten ließe. Einfach nur ein grauer emotionsloser Betonklotz.


Aber immerhoin mit einem - wenn auch bizzaren - Charme. Selbst wenn man einen Waffenschein hat, ist es nicht erlaubt seine Waffen mitzubringen. Was jedem echten, rotblütigen Redneck die Zornesröte ins Gesicht treiben dürfte ...



Das Konzept der Opry ist ganz einfach: die Mischung macht's.
Alte Stars aus den 1950er/1960er Jahren wechseln sich ab mit Newcomern, aktuellen Stars und aktuellen Superstars. Eine Woche später hätten wir Trace Adkins sehen können (der hier ein Mega-Superstar ist ... in Europa dürfte er ziemlich unbekannt sein), so mußten wir mit dem Schwiegersohn von Johnny Cash vorlieb nehmen. Aber dazu später mehr.

Dann ist es wichtig, dass möglichst alle Stilrichtungen des Country vertreten sind: Bluegrass, Western, Old Time, Honky Tonk, Country Soul, Country Rock, Nashville Sound, etc.

Man bekommt also ein sehr abwechslungsreiches Programm geboten - das im übrigen, mit Werbung dazwischen, genau zwei Stunden dauert. Das ist die Sendelänge sowohl des Radio- als auch des TV-Programmes.

Und das mit der Werbung ist tatsächlich wortwörtlich zu nehmen. Die wird nämlich nicht nur im Radio und im TV eingeblendet sondern auch live auf der Bühne verlesen ... bizarr.
Und zwar wird bei jeder Radio/TV Werbepause vom Ansager in der Opry mit sonorer Stimme eine Nachricht des Sponsors des jeweiligen Programmsegmentes zu Besten gegeben. Die Show ist nämlich in vier Teile aufgeteilt, jeder von einem anderen Sponsor "ermöglicht". Bei uns waren es eine Sanitärfirma, eine Bank, eine Versicherung und eine Restaurantkette.
Und auch die Musiker auf der Bühne binden in ihre An- und Absagen gerne einen Hinweis auf den jeweiligen Sponsor ein. Wie gesagt, das ganze hat als Werbevehikel einer Versicherung angefangen und sich im Grunde nur in Nuancen geändert.
Im Bild unten sieht man ganz links den Werbesprecher mit seinem Podium und das Plakat des Sponsors an der großen Leinwand, während der Musiker geduldig auf seinen Einsatz wartet.



Und zwischen der Werbung gab's dann tatsächlich auch Musik. Und bei jedem neuen Star, der auf der Bühne erschien, stürzten ganze Massen von mit Digitalkameras bewaffneten Fans an den Bühnenrand. Und die Musiker ließen das ganz ruhig über sich ergehen und stellten sich sogar noch in Pose, bis auch der letzte Knipser sein Bild im Kasten hatte. Hätte ich das gewußt, hätte ich uns keine Plätze auf der Tribüne besorgt (die waren toll hinsichtlich des Überblicks, aber nutzlos für Close-Up Fotos der Stars ...), sondern im unteren Zuschauerraum. Na ja, das nächste Mal dann ...

Hier das Line-up unserer Show:

Little Jimmy Dickens - seit 61 Jahren auf der Bühne ...


Jim Ed Brown - war mal in den 1950ern ein Star, mit ziemlichen Tränendrüsen-Schmonzetten

Sunny Sweeney - Blonde Lockentröte, aber mit einem Organ das Kanonenboote versenken könnte ... noch kein Star, könnte aber was draus werden

Mike Snider - Banjospieler, Bluegrass Musiker, Pausenclown mit breitestem Tennessee-Akzent; hatte einen Mundharmonikaspieler mitgebracht, der in einem kleinen Nest in Nord-Tennessee eine Hotel mit angeschlossener Autoreparaturwerkstatt betreibt und nur hobbymäßig Musik macht - einer der Höhepunkte des Abends!




Jean Shepard - Scheintote aus den 1950ern ...

Jimmy C. Newman - Noch so einer aus den 1950ern - spielt Cajun Musik

Marty Stuart - der Schwiegersohn von Johnny Cash; fabelhafter Musiker aber irgendwie völlig neben der Spur, als ob er auf Dope war; seine Begleitband, die "Fabulous Superlatives" sind so eine Mischung aus Sixties-Schülerband und den drei Stooges, ganz in weiß gekleidet während der Meister in schwarzer Kluft mit großem Straß-Kreuz auf dem Rücken den Oberrocker gibt; musikmäßig wohl eher dem Honky Tonk zugetan (die Mucke ging richtig ab ...) und sehr unterhaltsam

Bobby Osborne & The Rocky Top X-Press - Bluegrass aus dem Hinterland, Hillbillies die es krachen lassen


Connie Smith - Die Ehefrau von Marty Stuart ... auch so eine Ikone aus den 1960ern ...

Opry Square Dancers
- wie der Name schon sagt, die Square Dance Truppe der Opry; wohl eher nicht so ganz traditionell, eher auf Show getrimmt, so eine Art Jacques Offenbachscher Can-Can zu Fiddle und Banjo - aber sehr schwungvoll und mitreißend

Bill Anderson
- der war mal ein Star in den 1960ern ...

Jeannie Seely - auch sie ein Star aus den 1960ern ...

Raul Malo - Tex-Mex Schlager in Brachial-Lautstärke, mit Bläsern und Verstärkern; der Typ war mal Vorsteher bei den "Mavericks" und macht jetzt schnulzige Fahrstuhlmucke mit Tex-Mex Einschlag; toller Musiker und Sänger, davon mal abgesehen



Ein abwechslungsreiches Programm also. Und eine recht bizarre Veranstaltung, alles in allem.
Irgendwie sind wir uns zwischendurch aber doch manchmal vorgekommen wie bei einem Konzert des Altenheimes für Country Musiker - die Grand Ole Opry als Gnadenhof für verdiente Zugpferde sozusagen. Mit Live-Werbeeinblendungen.
Na ja, vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal mit Trace Adkins ...

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