Wednesday, October 26, 2011

To the greater glory of God

Messiah Lutheran Church ist eine von gefühlten tausend Kirchen hier in Madison (tatsächlich sind es nur etwas über fünfzig ... bei gut 40.000 Einwohnern ergibt sich aber auch damit eine recht anständige Abdeckung). Die Kongregation besteht aus ungefähr 200 kirchengehenden Mitgliedern, was Messiah zu einer der mittelkleinen Gemeinden hier macht.
Wir haben ein gewisses Interesse an dieser Kirche, da dort unsere beiden Kleinen getauft wurden, unser Großer zum Konfirmationsunterricht geht und meine Frau sich mit Sommerschule, deutschen Kochkursen und allerlei anderen Aktivitäten am sozialen Leben beteiligt. Ich habe es ja nicht so mit organisierter Religion aber durch die vielen (Ver)Bindungen unserer Familie besteht auch bei mir durchaus ein Interesse an dem, was da so vor sich geht.

Vor einiger Zeit wurde nun vom Kirchenvorstand der Vorschlag gemacht, die mittlerweile 20 Jahre alte Kirche zu erweitern. Zwar reichte der Platz eigentlich locker aus um in zwei Gottesdiensten jeden Sonntag jeden dort unter zu bringen - lediglich beim Weihnachtsgottesdienst muß immer ein wenig enger zusammen gerückt werden. Aber da Huntsville und Umgebung in den kommenden Jahren rapide wachsen werden - das US Militär verlegt eine ganze Anzahl von Organisationen ins Redstone Arsenal und es wird mit einigen zehntausend neuen Einwohnern in der Region gerechnet - und bereits die Infrastruktur für dieses Wachstum, wie neue Schulen, neue Straßen und so weiter überall um uns herum geschaffen wird, muss natürlich auch Messiah für die Zukunft planen und größer werden.
Nun ja, so jedenfalls die Argumentation der Altar Gilde, eines geschlossenen Zirkels alter Mitglieder, die in Messiah das Sagen hat.

Also wurde vor einiger Zeit beschlossen, die Kirche um vier Bänke nach vorne zu erweitern - was einen Zuwachs an ungefähr 20 Plätzen mit sich bringt.
Ein erfreulicher Nebeneffekt ist, dass damit nun endlich auch Platz für bleiverglaste Buntglasfenster ist. Und eine kleine Sakristei für den Messwein und die Oblaten kann auch noch eingerichtet werden.
Und wie finanziert man hier in Amiland so eine Kirchenerweiterung? Man bittet um Spenden der Mitglieder. Runde sechshunderttausend Dollares brauchte man und ein mehrwöchiger Spendenmarathon, zu dem sogar ein Spendeneintreibungsfachmann aus Atlanta eingeladen wurde, erbrachte dann Zusagen (noch kein Bargeld, lediglich Absichtserklärungen) in Höhe von rund vierhundertausend Dollares.
Hmm, was nun? Man leiht sich den Rest der Summe bei einer der Kirche nahe stehenden Bank.
Ach ja, hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass die erste Hypothek vom Bau der Kirche noch nicht abbezahlt ist? Egal, Gott wird es schon richten, denn wir tun das ja alles zu seiner größeren Ehre und nicht etwa, weil sich die Altar Gilde damit ein Denkmal setzen will.
Schließlich hat Gott ja auch Ford's Chapel Methodist Church geholfen, als er an dem schrecklichen Tornado-Tag im April deren alte Backsteinkirche (die zu der Zeit von Incarnation Lutheran Church genutzt wurde) von einem Tornado platt machen ließ. Die Versicherungssumme reichte dazu aus, die Schulden für die neue Megakirche, die man vor einigen Jahren gebaut hatte - für die größere Ehre Gottes - komplett ab zu bezahlen. Hallellujah!

Nun stand also die Finanzierung - jedenfalls nach Lesart der Altar Gilde, mir drehte sich dabei der Magen um - und man holte Angebote von Baufirmen ein.
Alles viel zu teuer.
Also nochmal umkonstruiert und neue Angebote her - immer noch weit über Budget. Da nun aber mittlerweile die Zeit drängte und die Zinsen des angestrebten Bankkredites stiegen, entschloss man sich kurzerhand das Budget aufzustocken und anzufangen.
Das stellte sich dann als etwas unüberlegt heraus, da nämlich mittlerweile die Bauvorschriften sich geändert hatten und die Kirchenerweiterung, da sie in die tragende Struktur der Altkirche eingriff, nicht mehr als einfacher Anbau sondern als Neubau gilt. Das Problem dabei war, dass nun auch die Elektrik, Heizung, Licht und alles mögliche andere den neuen Bauvorschriften angepasst werden muß.
Also wurde das Budget gezwungenermaßen nochmals erhöht - und verstärkt um göttlichen Beistand gebetet.
Und Abstriche gemacht. Für die Sakristei war nun kein Geld mehr da - aber ist nicht eines der Mitglieder Schreiner? Der könnte doch die Schränke und sonstige Einrichtung in Eigenarbeit zusammen zimmern - und selbstverständlich auch das Material selber mit bringen, und schwupps, sind zwanzigtausend Dollares gespart.
Dann muss man wenigstens nicht den neuen Kirchturm nicht mehr abbestellen. Bisher zierte den Dachfirst ein schlichtes Kreuz, das die Eltern eines bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Mitgliedes gestiftet hatten. Weg damit, für die größere Ehre Gottes muß ein protziger weißer Kirchenturm aus glasfaserverstärktem Kunststoff her. Ach so, es fehlt immer noch Geld? Dann stellen wir, vorübergehend natürlich, die Unterstützung der Missionstätigkeit in Guatemala ein und fahren die Jugendarbeit zurück.

Zu dumm aber auch, dass alles betteln, jonglieren und Kredite aufnehmen immer noch nicht ausreichend ist um ein solides Budget auf die Beine zu stellen.
Heute kam ein Bettelbrief, in dem die haarige finanzielle Situation dargestellt wurde in der sich die Kirche mittlerweile befindet. Am Ende des Jahres werden voraussichtlich zwölftausend Dollares in der Kasse fehlen - also ist jeder dazu aufgerufen zu beten, in sich zu gehen und mehr zu spenden. Und dabei hat die Rückzahlung der zweiten Hypothek ja noch nicht einmal begonnen.
Und was passiert, wenn die Schulden nicht mehr abgebaut werden können? Dann wird die Kirche dicht gemacht. Das kommt hier alle Nase lang vor, dass Kirchen wegen finanziellen Misserfolges untergehen. Incarnation Lutheran Church mußte auch kürzlich die Tore schließen, weil einfach nicht genügend Mitglieder zu finden waren und somit nicht genug Geld in die Kasse kam um wenigstens den Pastor zu bezahlen (der jetzt arbeitslos ist ...).
Nun, vielleicht steht auch Messiah Lutheran solch ein Schicksal bevor - denn erstens ist es überhaupt nicht sicher dass die hier her ziehenden Neubürger ausgerechnet in diese Kirche gehen und zweitens hat die Entscheidung, die von der Altar Gilde gegen jeden Widerstand durchgeboxt wurde, reichlich viel bitteren Nachgeschmack hinterlassen, so dass viele Mitglieder bereits beginnen sich nach etwas Neuem um zu sehen. Zustände wie beim Kaninchenzüchterverein in Posemuckel.
Aber Gott wird das Schlimmste schon verhindern - schließlich wurde das ja alles zu Seiner größeren Ehre gemacht, einschließlich der Buntglasfenster für zwanzigtausend Dollares pro Stück ...


Thursday, October 20, 2011

Dismals Canyon

Es gibt hier in Alabama die eine oder andere Ecke, in der die Natur noch wild und urwüchsig ist.Eine davon ist der ungefähr zwei Kilometer lange Dismals Canyon nahe Russelville, etwa zwei Autostunden westlich von Huntsville.
Der Canyon ist in Privatbesitz, wird aber in der Liste der National Landmarks geführt und ist somit dem National Park System angegliedert und genießt dadurch bestimmte Privilegien.
Durch den Canyon fließt ein kleines Bächlein, das in jahrtausendlanger Arbeit diese Schlucht aus dem Gestein geschwemmt hat. Beiderseits des Gewässers führt ein Trampelpfad einmal innerhalb des Canyons herum. Es geht über Stock und Stein, durch enge Felsspalten und über schwankende Hängebrücken - man muss schon ein wenig geländegängig sein um da durch zu kommen. Aber die Plackerei lohnt sich - ich war heute für drei Stunden ganz für mich alleine, fernab jeglicher Zivilisation und habe die (relativ) unberührte Natur genießen können.

Coon Dog Cemetery

Heute haben sie in Colbert County den guten alten Beau zu Grabe getragen. Sein Herrchen und Frauchen hatten ihn extra aus Illinois dort hin gebracht, damit er seine letzte Ruhe unter seinesgleichen finden konnte. Was seinesgleichen sind? Prämierte Coon Dogs.
Coon Dogs sind mehrere extra für die Waschbärenjagd in den USA gezüchtete Rassen von Jagdhunden. Sie sind loyal, intelligent, sehr kinderfreundlich, sportlich und hübsch. So mancher Coon Dog Besitzer hier im Süden soll seinem Coon mehr zugetan sein als der eigenen Frau.
Nun leben diese treuen Gefährten leider nicht ewig und was macht man dann mit ihnen wenn sie im Hundehimmel sind? Vor dieser Frage stand im Jahre 1937 auch Key Underwood, nachdem Troop, sein Coon Dog, gestorben war.
Mister Underwood begrub er Troop kurzerhand dort, wo der sich immer am wohlsten gefühlt hatte - im Camp wo sie sich immer mit anderen Jägern und ihren Hunden zur Jagd getroffen hatten. Mit der Zeit sprach sich diese Praxis herum und auch andere begruben ihre Gefährten dort. Mittlerweile liegen dort ungefähr 190 der vierbeinigen Freunde, alles echte Vollblut-Coon Dogs, keine Pudel, Pekinesen oder andere Pantoffelschlepper. Viele von ihnen waren prämierte Champions und sogar ein echter TV-Werbestar hat dort seine letzte Ruhestätte.

Der Coon Dog Friedhof in Colbert County ist sicherlich  nicht der einzige Hundefriedhof in der Welt. Aber er ist der einzige, bei dem die Aufnahmebedingung daraus besteht, dass Zeugen beschwören müssen, dass der Verstorbene ein reinrassiger Coon Dog war.
Bizarr? Nun ja, vielleicht. Aber wer schon einmal einen Coon Dog erlebt hat wird vielleicht verstehen was Leute dazu treibt einige hundert Meilen aus Illinois hierher zu fahren um ihn an diesem besonderen Ort zu begraben. Wir überlegen selbst, ob wir nicht so einen mit nach Deutschland nehmen sollen, wenn unsere Zeit hier um ist ...



Saturday, October 15, 2011

The Battle of Sulphur Creek Trestle

Na, da war ich dann doch etwas enttäuscht.
Wir haben hier in der Nähe bei Athens ein Schlachtfeld aus dem Civil War. Damals hatten sich die Rebellen mit den Nordstaatlern um eine Eisenbahnbrücke, der Sulphur Creek Trestle, gebalgt.
Das Gelände ist auch heute noch zugänglich, die ehemalige Bahnlinie um die es damals ging ist mittlerweile zum (Pferde-)Wanderpfad umgebaut worden.
Das wollte ich mir mal ansehen, zudem mir ein paar Einheimische gesagt hatten, dass man dort auch heute immer noch Kugeln aus der Zeit finden könne.
Nach vier Kilometern strammen Fußmarsches durch die herbstliche Landschaft war es dann soweit - eine Gedenkplatte auf einem Steinsockel markierte das Zentrum des ehemaligen Schlachtfeldes. Gut, dass sie das dahin gestellt hatten, denn von alleine wäre ich glatt daran vorbei gelaufen.
Ein paar moosbewachsene Eichen-Schwellen, die im Wald herum liegen sind praktisch alles was von damals übrig geblieben ist. Von wegen Kugeln und andere Artefakte - alles mit Wald zugewuchert.
Nun ja, wenigstens einen positiven Aspekt hatte das Ganze - die acht Kilometer in der frischen Herbstluft haben mir richtig gut getan ...


Saturday, October 1, 2011

Paddling

Alabama wird, vor allen Dingen in den Nordstaaten, immer wieder gerne als Beispiel für Rückständigkeit und Hinterwäldlertum genommen. Nicht förderlich für diesen Ruf dürfte sein, dass Alabama einer der 19 US-Bundesstaaten ist, in denen die Prügelstrafe an Schulen immer noch legal ist.
Ja, klar, die meisten  Schulen holen vorher erst die Erlaubnis der Eltern ein, bevor zu geschlagen wird. Aber die Statistik alleine  aus Madison County ist doch erschreckend -

Das soll jetzt alles anders werden. Eine (liberale=kommunistische=vom Teufel besessene) Abgeordnete des Repräsentantenhauses hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der diese Praxis, die fast ausschließlich mit einem extra dafür hergestellten Paddel ausgeführt wird, landesweit verbieten soll.

Die Ablehnungs-Fraktion bringt die hinreichend bekannten Sprüche, von wegen "uns hat es ja auch nicht geschadet". Und auch das hier im Süden immer wieder gern genommene "die Bundesregierung hat sich gefälligst nicht in unsere Angelegenheiten einzumischen" ist deutlich zu vernehmen.

Aber auch die Befürworter haben keine unbedingt besseren Argumente - "wenn einer meine Kinder schlägt, bin ich es" ist nicht geeignet wirklich Sympathie hervor zu rufen.

Einfach mal nachdenken und vielleicht darauf kommen, dass Prügelstrafe etwas mit der Verletzung der Menschenwürde zu tun hat? Menschen, ja genau, die Sorte Lebewesen zu der auch Kinder gehören, die sich nicht wehren können und denen auch die Erkenntnis, dass wer prügeln muss immer versagt hat, nicht hilft wenn der Schuldirektor dieses Urteil verhängt.

In 19 US-Bundesstaaten - die fast ausschließlich in Süden liegen - ist die körperliche Züchtigung in der Schule noch erlaubt. Die letzte verfügbare Statistik für Alabama stammt aus dem Schuljahr 2006/7 und listet rund 33000 Vorfälle dieser Art.
Hier in Nord-Alabama ist Madison County der einzige Bezirk in dem Paddling noch erlaubt ist. Im letzten Schuljahr wurde in 16 der 26 Schulen dort 307 mal diese Bestrafung verabreicht.
Der erst kürzlich neu ernannte Superintendent für die Schulen in Huntsville (was zu Madison County gehört)  hat sich letzten Monat für die Aufhebung des Paddling ausgesprochen. Sein Argument, dass diese Art der Behandlung weder im Militär noch in den Gefängnissen praktiziert wird und somit auch keinen Platz in den Schulen habe, fällt allerdings eher auch in die Kategorie der Merkwürdigkeiten, die allen Ortens zu diesem Thema geäußert werden.

Aber auch in Europa gibt es diese Form der Züchtigung noch - in Frankreich und in der Slovakei. Und in Deutschland wurde es auch erst 1983 offiziell abgeschafft, in Italien allerdings schon 1928 und in den Niederlanden bereits 1920. Der erste US-Staat, der diese Praxis verboten hat war New Jersey - in 1867. So gesehen ist Alabama tatsächlich etwas rückständig auf diesem Gebiet. Oder traditionell, je nach Sichtweise.