Saturday, September 29, 2012

Alabama Football

Es gibt zwei Religionen hier in Alabama - irgendeine christliche Sekte zu der man Sonntags morgens in die Kirche geht und die Religion, die Samstag abends zelebriert wird ... College Football.
Das ist so, wie damals mit den ollen Römern - an der Wand hing das Kreuz, aber hinterm Herd wurden die alten Götterstatuen versteckt. Hier existieren die beiden Religionen relativ friedlich nebeneinander und es gibt solange keinen Stress, wie nicht die Kirche irgendeine Veranstaltung zeitgleich mit den College-Spielen ansetzt. Das ist eine Konfrontation, die die Kirche nur einmal gewinnt - am nächsten Samstag haben sich dann alle eine neue, Football-freundlichere gesucht. Was hier in Madison zum Beispiel kein Problem darstellen dürfte - wir haben bei gut zwanzigtausend Einwohnern genau 72 Kirchen zur Auswahl.

Hier in Alabama war Football schon immer so mit das Wichtigste im Leben - sogar die High School Spiele werden teilweise im TV übertragen.
Allerdings rümpft der wahre Football-Fan bei Nennung der Profi-Liga NFL natürlich die Nase - die spielen für Geld, sind gierig und verwöhnte Millionäre. Also im Grunde das, was man in Deutschland über den FC Bayern sagt.
Die College Mannschaften hingegen spielen noch für die Ehre und aus Spaß am Spiel, so heißt es jedenfalls.
Dass jedes der 124 College Teams der USA-weiten Division I jeweils 85 volle Stipendien an ihre jeweils rund 100 Spieler verteilen darf macht diese nicht gerade zu Amateuren mit hehren Idealen. Auch diese Football-Studenten spielen für Geld und rekrutiert werden sie dann auch noch mit teilweise recht fragwürdigen Methoden. Erst neulich hat es einen milden Skandal gegeben als heraus kam dass eine Universität eine Werbeveranstaltung für künftige Football-Spieler-Studenten in Form einer römischen Orgie abgehalten hat, komplett mit leicht bekleideten Cheerleadern und jeder Menge Alkohol.
Es geht ja auch um viel. Wer ein gutes Football-Team hat, dem laufen auch andere, nicht Football-Studenten zu. Jeder will die Farben des nationalen Champions tragen und da sich hier jede Universität zu einem großen Teil aus Studiengebühren finanziert, versucht man natürlich so viele Studenten wie möglich anzulocken.
Klar ist es auch toll wenn man einen oder mehrere Nobelpreisgewinner vorweisen kann - doch nichts hat so eine Strahlkraft wie ein richtig gutes Football-Team.
Das ist ein ureigenes amerikanisches Phänomen und als Europäer, der sich unter Universität eher eine Anstalt der höheren Bildung als hunderttausend kreischende Fans in einem Stadion vorstellt, erstmal ein recht fremdes Konzept.

Aber die sind hier nun einmal so drauf und was liegt da näher als einen Selbstversuch zu machen und zu drei verschiedenen College-Football Spielen innerhalb von drei Wochen zu gehen, wenn man schon einmal diese Möglichkeit hat.

Angefangen habe ich mit der University of North Alabama in Florence. Diese Universität besteht bereits seit 1830, hat heute rund 8000 Studenten und ein Budget von rund 18 Millionen Dollares im Jahr.
Das Football-Team, die Lions, sind in den 1990er Jahren zweimal nationaler Meister der Division II geworden - sie spielen also sozusagen in der zweiten Liga, wo nur 36 Voll-Stipendien für Football-Studenten ausgegeben werden dürfen. Gespielt wird im etwas über 14000 Zuschauer fassenden Braly Municipal Stadion in Florence.
Dabei darf man sich ein Amiländisches College-Football Stadion der unteren Klassen nicht als ein Wunderwerk der Architektur vorstellen.
Zwei Tribünen mit einfachen Alubänken zum sitzen, ein Lautsprechersystem, Flutlichter und, wenn die Schule viel Geld übrig hat, eine einfache elektronische Anzeigetafel.
Aber die Zuschauer brauchen auch keinen besonderen Komfort, es kann schon erwartet werden dass man sich drei Stunden lang den Hintern platt sitzt für sein Team. Football ist eben kein Kindergeburtstag.
Mit mir waren noch 10871 andere Zusachauer anwesend, als die Lions von den Harding State Bisons 10 zu 31 untergepflügt wurden. Während ungefähr 95 Prozent der Spieler, auf beiden Seiten, Afro-Amerikanischer Abstammung waren, war das Verhältnis im Zuschauerbereich genau umgekehrt. Die Universität ist allerdings stolz darauf, dass gut 10 Prozent der Studenten aus dem Ausland kommen.
Das Football-Team ist also in diesem Jahr nicht so dolle - aber das ist auch nicht so schlimm solange die Marching Band der Universität, die "Pride of Dixie" in der Halbzeitpause die Massen unterhält. Und das tun sie wahrhaftig - da wird marschiert, Buchstaben geformt, durcheinander gelaufen, Verrenkungen gemacht und das alles während die Instrumente gespielt werden. Sagenhaft.
Football ist überall irgendwie gleich, ob in der NFL, auf dem College-Level oder in der High School. Aber das drumherum unterscheidet sich doch dramatisch voneinander.



Und nichts ist so dramatisch wie ein Footbball-Spiel der Crimson Tide in Tuscaloosa mit zu erleben.
Vierzehnmaliger nationaler Meister, Titelverteidiger und auch in dieser Saison wieder der haushohe Favorit. Das Bryant-Denny Stadion der University of Alabama fasst über 100.000 Zuschauer - allerdings gibt es auch dort nur diese unbequemen Alubänke. Aber das nimmt man gerne in Kauf, die meisten würden den Gottesdienst in dieser Kathedrale des Touchdowns auch gerne auf den Knien verbringen. Auf dem freien Markt sind für die Spiele dort keine Karten zu bekommen - niemals, gar nicht, vergiss es.
Aber den Studenten ist es erlaubt ihre Karten zu verkaufen. Mit Profit natürlich. Und so kam es, dass ich für einen 45 Dollar-Platz in der Kurve schließlich gut das doppelte bezahlt habe. Das war deshalb so billig, weil der Gegner relativ schwach war. Für die Top-Spiele darf man dann auch schon mal locker das drei- bis vierfache hinblättern.
Nicht alle sind bereit das zu tun und so hat sich mit den Jahren eine eigene Alternativbewegung gegründet. Es ist schon seit langem Tradition, dass vor Sportereignissen vor dem Stadion das sogenannte "Tailgating" durchgeführt wird. Mesit treffen sich da ein paar Freunde, bauen einen Grill und ein paar Klappstühle auf, kippen ein paar Biere und futtern ein paar Burger und gehen dann wohlig schunkelnd ins Stadion um ein Teil der Kulisse zu sein.
Nicht so in Tuscaloosa.
Dort geht das Tailgating schon einen Tag vor dem Spiel los und nimmt die Fläche einer Kleinstadt in Anspruch. Große Bierzelte werden dort aufgebaut, mit Bestuhlung und Satelliten betriebenen Großformatfernsehern. Schätzungsweise noch einmal so viele Tailgater gibt es zu jedem Spiel wie Zuschauer im Stadion. Gigantisch.
Das alles ist kein echter Universitätssport mehr, sondern ein eigener Wirtschaftszweig.
Die University of Alabama hat rund 34.000 Studenten und einen Etat von gut 630 Millionen Dollares im Jahr. Das ist kein Kleingeld.
Runde 20 Prozent davon werden durch die Studiengebühren aufgebracht.
Der gesamte Studentensport kostet die Universität rund 70 Millionen Dollares im Jahr, davon gut 7 Millionen für das Football-Programm, welches aber durch die Einnahmen der Heimspiele in Höhe von 22 Millionen Dollares und die Einnahmen der TV-Rechte in Höhe von rund 8 Millionen Dollares mehr als ausgeglichen wird. Dazu kommen noch die Lizenzgebühren für Kleidung, Mützen, Tassen, Souvenirs, Autoaufkleber und so weiter - die dürften im dreistelligen Millionenbereich liegen. Dazu habe ich auch kräftig beigetragen, ich dürfte inzwischen so um die vier Mützen, fünf T-Shirts, einige Auto-Aufkleber und mindestens zwei Thermotassen mit dem Logo der Crimson Tide besitzen.
Es ist also ein Riesengeschäft.
Irgendwie ist alles größer in Tuscaloosa. Während die Marching Band der University of North Alabama ungefähr 200 Mitglieder hat, zählt die "Million Dollar Band" der University of Alabama knapp 500 Musikanten. Das hat aber nicht unbedingt Auswirkungen auf die Qualität des Pausenprogramms - nur auf die Lautstärke.
Und genau wie in Florence in der Woche zuvor war das Verhältnis von Afro-Amerikanern zu Kaukasiern auf dem Spielfeld diametral entgegen gesetzt zu dem auf den Zuschauerrängen. Die weiße Mittelschicht und ihre dunkelhäutigen Faxenmacher, könnte man denken. Nun ja, ganz so abwegig ist das nicht. Aber es geht auch anders. Habe ich dann heute fest gestellt.
Oh, hätte ich ja fast vergessen - die Crimson Tide hat die Florida Atlantic Owls mit 40 zu 7 überrollt. Nicht, dass es am Ausgang des Spiels oder auch an der Höhe des Ergebnisses jeweils einen Zweifel gegeben hätte. Roll Tide!



Nun ja, heute also das dritte Spiel, diesmal in Huntsville bei der Alabama A&M University.
Die Agricultural and Mechanical (A&M) Universitäten wurden nach dem amerikanischen Bürgerkrieg ins Leben gerufen, mit dem Augenmerk auf landwirtschaftliche und maschinenbauliche Ausrichtung der Studieninhalte. Die meisten der A&M Universitäten gehören zur Gruppe der landesweit 105 "historically black Universities". So auch Alabama A&M in Huntsville.
Bei rund 6.000 Studenten hat die Universität ein Jahresbudget von rund 120 Millionen Dollares. 
Football wird dort im 21.000 Zuschauer fassenden Louis Crews Stadion gespielt. Die Bulldogs gehören zur Division I und haben in den vergangenen Jahren des öfteren NFL-Spieler hervor gebracht.
Mit mir waren noch 6.820 andere Zuschauer dort - alles, ungelogen, Afro-Amerikaner. Der einzige andere Kaukasier im Stadion war der Kicker der A&M Bulldogs.
Was kein Problem war - ich kam mir nur etwas auffällig vor, wie ein Reiskorn in einem Schokopudding. Niemand hat mich dumm angemacht oder auch nur schief angesehen. Allerdings habe ich bemerkt, dass sich die freien Plätze um mich herum doch nur etwas zögerlich füllten.
Aber normalerweise gibt es da keine Schwierigkeiten - beim Sport sind hier alle gleich.
Und natürlich hat A&M auch eine Marching Band - nein, eine "Showband", wie sie angekündigt wurde. Und das war wirklich keine Übertreibung. Drei Tambourmajore, diverse Hupfdohlengeschwader drumherum und eine Show, die TV-würdig war. Wow! Alleine dafür hatte es sich schon gelohnt den inneren Schweinehund zu überwinden und die Rolle des Reiskorns zu akzeptieren.
Und das Spiel selber war auch vom Feinsten. Football auf höchstem Niveau, mit mitreißenden Spielzügen und akrobatischen Einzelaktionen. Die Bulldogs gewannen schließlich 38 zu 17 gegen Grambling State - auch eine der traditionell schwarzen Universitäten.


So, das war also meine kleine soziologische Studie zum Thema "College Football als Religion in Alabama" - war sehr interessant und lehrreich. Roll Tide!

Natives

Die Echota Cherokee Indianer leben seit tausenden von Jahren im Südosten der USA. Im Jahre 1838 wurden die meisten Cherokee von der US Regierung auf einen Todesmarsch in die Verbannung geschickt - in die neuen Reservate in Oklahoma. Wer diesen Marsch, den "Trail of Tears", überlebte fand sich in einer leeren Ödnis wieder, die so gar nichts mit der waldreichen, von Flüssen durchzogenen und von Tieren und Pflanzen nur so wimmelnden alten Heimat zu tun hatte. Stattdessen lieferte die US Regierung Alkohol um die Erinnerung zu betäuben und machte die Cherokee in Oklahoma zu Almosenempfängern. Einige wenige entgingen dem Genozid und tauchten in der Wildnis von Alabama und Tennessee unter - deren Nachkommen fanden sich gut 150 Jahre später wieder zu einem losen Stammesverband zusammen. Um dort aufgenommen zu werden muss man nachweisen, dass man zu 1/32 Cherokee ist - das heißt, der Ur-Ur-Ur-Großvater muss ein Voll-Cherokee gewesen sein. Um zu überleben haben sich die verbleibenden Cherokee mit den neuen Herren des Landes vermischt, wodurch man heute hier im Südosten kaum noch "echte" Indianer findet, die auch so aussehen wie man das aus den Hollywood-Western gewohnt ist. Das ist in den Reservaten in Oklahoma ganz anders, wo die Indianer eingesperrt waren und sich daher nur innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaften fortpflanzen konnten - dort lebt Winnetou weiter.
Die Echota Cherokee im Norden Alabamas feiern seit 15 Jahren ihre Wiederauferstehung als Stamm - und laden alle die Lust haben dazu ein. Das Fest wird in Form eines Pow Wow abgehalten, was bedeutet dass sehr viel getanzt und gesungen wird.
Und dabei - und nur dabei - durfte man die Echota auch fotografieren. Ich kenne das auch anders, aus vergangenen Tagen als Fotografie auf Pow Wows grundsätzlich verboten war. Aber die Echota sind sehr relaxte, tolerante Leute - immer mal wieder waberten süßliche Rauchschwaden über den Platz, aus diversen Pfeifen ...


Monday, September 3, 2012

Apples

Wir waren mit den Kindern am Wochenende auf einer Apfelplantage hier in der Nähe. Selbstverständlich sind wir mit einer ganzen Wagenladung Äpfeln wieder zurück gekommen - Golden Delicious, Red Delicious, Jonah Gold, Gala.
Was dann natürlich die Frage aufwarf, was macht man mit und aus soviel Äpfeln?
Apfelkuchen. Zu dumm nur, dass unser Ofen derzeit nicht funktioniert.
Roh essen. Ja klar, aber doch nicht mehr als vielleicht ein halbes Dutzend pro Tag.
Apfelbrei. Hmm, sehr gerne. Aber einfach nur so? Vielleicht mit Kartoffelpuffern ...
Gesagt, getan.
Also gab es heute Abend selbstgemachte Kartoffelpuffer mit selbstgemachtem Apfelbrei.
Richtiges gutes germanisches Essen. Wenn man noch weiß, wie das zum selber machen geht kann man selbst in der Fremde ab und zu mal ein kleines bißchen Heimat auf den Tisch zaubern. Zum Glück habe ich eine Frau geheiratet, die etwas davon versteht ...


Saturday, September 1, 2012

Photographer 2.0

Es wird langsam zur Tradition dass mein kleiner Sohn und ich Samstag Nachmittags heraus fahren um zu fotografieren.
Er hat es immer schon toll gefunden etwas mit Papa zu unternehmen und die Fotografiererei kennt er in unserer Familie schon seit er geboren wurde.
Also habe ich ihm heute seine erste eigene Kamera geschenkt. Es ist eine stoß-, wasser-, und kratzfeste Kompaktknipse mit innenliegendem Zoom, die wir vor unserem Florida-Urlaub mit einem neueren Model ausgetauscht hatten. Wie geschaffen für einen aufgeweckten (fast) vierjährigen.
Er ist stolz wie Oskar und macht ein Foto nach dem anderen - meist von seinen Füßen, seinen Nasenlöchern oder der Rückseite meiner Kopfstütze im Auto.
Er macht aber auch Fotos von Landschaften (siehe Bild), seiner Schwester und seinen Eltern, den Blumen im Garten und seinem Spielzeug. Die Ernsthaftigkeit mit der er dabei zur Sache geht beeindruckt mich sehr - natürlich will er vor allen Dingen Papa nacheifern, aber ich spüre da auch auch wirkliches Interesse. Nun ja, wer ein Meister werden will kann nie früh genug anfangen ...