Saturday, May 14, 2011

Rocket City Rumble

Rrrrriot Girrrrlz.
Mit jeder Menge Tattoos am Körper, überall Metallteile die durch die Haut und das Fleisch gestochen sind, grell gefärbte Haare, enge schwarze Jeans, Schlabbershirts und Doc Martens. Punk lebt und er tobt auf Rollschuhen durch die Gegend.

Nun schon zum dritten Mal veranstalteten die Dixie Derby Girls aus Huntsville das Rocket City Rumble, ein Turnier mit einem halben Dutzend Roller Derby Mannschaften.
Was Roller  Derby ist? Frauen zwischen Achtzehn und Mitte Vierzig, die auf Rollschuhen im Kreis laufen und dabei versuchen sich gegenseitig so zu blocken dass der Gegner keine Punkte erzielt während man selbst punktet. Das tut man, indem ein designierter Skater, der Jammer, die gegnerische Mannschaft überholt. Für jedes Mitglied des Gegners gibt es einen Punkt, und einen Zusatzpunkt wenn man auch noch deren Jammer überrundet. Ganz einfache Regeln also.

Angefangen hat dieser Sport bereit vor mehr als hundert Jahren, damals noch als Ausdauerrennen im Stile eines Sechstage-Rennens im Radsport. Im Jahre 1938 hat dann ein findiger Promoter den Körperkontakt eingeführt, was in der Hochzeit des Sports in den 1950er und 1960er Jahren, zusammen mit knappen Outfits und provokativer Vermarktung zu einer Zirkusveranstaltung wie etwa das Wrestling degenerierte.
In den 1970er Jahren starb Roller Derby durch einige Faktoren, einer davon die Ölkrise von 1973, fast völlig aus.
Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends wurde Roller Derby, diesmal als reiner Frauensport, wiederbelebt und erfreut sich mittlerweile wachsender Beliebtheit.
Dabei vermischen sich beim neuen  Roller Derby ein provokativ zur Schau getragener Punk-Lifestyle mit feministischen Untertönen und dem Anspruch eine ernst zu nehmende Sportart zu betreiben.
Obwohl bei den Veranstaltungen Eintritt genommen wird und über T-Shirt und sonstige Fan-Artikel Verkäufe Geld eingenommen wird, ist es keine professionelle Sportart, sondern die Mitglieder der Teams sind alle Amateure - auch das gehört zum Selbstverständnis der Frauen, die den kommerziellen Ausverkauf ihrer Sportart ablehnen. Sie machen das vor allen Dingen um mit Gleichgesinnten Spaß zu haben.

Zum Spaß gehört auch, dass jede Skaterin einen Kampfnahmen hat. Syko Path, Asian Invasion, Chocolate Demolition, Femifist, Rosie the Wrecker, Cherry Bloodbath ... Wortspiele, Verballhornungen, oder auch nur ganz einfache, möglichst gefährlich und brutal klingende Namen werden gewählt.
Auch das Outfit spielt eine große Rolle - es erinnert an Madonna in den 1980er Jahren. Netzstrümpfe, möglichst dekorativ zerrissen, knappe Shirts und Hot Pants, manchmal noch eine mehr oder weniger wilde Gesichtsbemalung, Nietengürtel, und überall Totenköpfe und Tattoos. Hier kann sich Frau noch einmal so richtig austoben, sich mit ihren Freundinnen verkleiden und für einen Nachmittag in eine Rolle schlüpfen. Mit fünf war es die Prinzessin, mit fünfunddreißig ist es das Riot Girl.

Das habe ich mir also heute angesehen. Roller Derby kannte ich aus alten Hollywood-Filmen und hatte das für ein Phänomen der Rock'n'Roll Ära gehalten.
Aber seit 2004 gibt es auch in Huntsville einen Ableger und die richten, wie schon erwähnt, einmal im Jahr ein großes Turnier aus.
Diesmal waren Mannschaften aus Atlanta, Houston, Memphis, Tallahassee und Tulsa, Oklahoma, dabei.
Ausgetragen werden die "Bouts" im der hiesigen VonBraunCenter, in einer Nebenhalle mit Betonfußboden. Das ist zwar prima um Rollschuh darauf zu laufen aber nicht so prickelnd wenn man mal hin fällt - oder besser hingefallen wird. So richtig brutal geht es zwar nicht zu aber die Mädels tragen ihre Knie-, Hand- und Ellenbogenschützer und die Helme nicht wegen als Modeaccessoires.
Toll ist, dass man als Zuschauer ohne Absperrung direkt neben dem mit farbigen Klebeband markierten "Spielfeld" sitzen darf. Allerdings muss man da schon aufpassen dass einem nicht plötzlich die Rollschuhe um die Ohren fliegen wenn geblockt, gestoßen und hingefallen wird.
Auch sind nicht alle Skater, nun, sportlich athletisch. Einige, oder sogar relativ viele, sind eher quadratisch praktisch. Und alle Altersklassen sind vertreten, wobei aber die meisten in ihren Zwanzigern sein dürften. Auch noch anzumerken ist, dass es überwiegend weiße Frauen sind und nur ganz wenige Farbige dort mit machen. Hat vielleicht was damit zu tun, dass man Tattoos auf dunkler Haut nicht so gut sieht ...
Na ja, wird wohl eher daran liegen dass Punk und Feminismus auch eher aus der weißen Kultur kommen und dort verwurzelt sind.

So wie ich das mit bekommen habe, ist die Party nach dem Turnier noch wichtiger gewesen als das Turnier selbst. So ganz dollen Zuspruch hat das Turnier von Seiten der Huntsviller dann auch nicht gehabt. Es waren vielleicht so gegen dreihundert zahlende Besucher dort, viele von denen erkennbar Freunde und Familie einzelner Skater.
Aber mir hat es Spaß gemacht - war mal etwas anderes und der dargebotene Sport war sehr unterhaltsam. Am spannendsten waren aber natürlich die Leute, die sich da herum trieben. Ein bizarres Punk-Paralleluniversum in das ich da hinein geschielt habe ...


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