Saturday, April 16, 2011

It's not only a race - it's TALLADEGA!

Laut.
Spektakulär.
Talladega.

In Amiland werden viele Religionen praktiziert aber keine ist so ohrenbetäubend, schnell und aufregend wie NASCAR - und der Talladega Superspeedway ist die längst zum Mythos verklärte Kathedrale dieses Glaubens an Geschwindigkeit, Geld und Vollgas.
Die National Association for Stock Car Racing (NASCAR) ist ein Familienunternehmen, das 1947 gegründet wurde und mittlerweile über 1500 Rennen pro Jahr auf über 100 Rennkursen in 39 US-Staaten auf den verschiedensten Ebenen des Automobilsports durchführt.
Das Unternehmen verkauft pro Jahr 3 Milliarden (!) Dollares nur in lizensierten Fanartikeln und unter den zwanzig höchsten TV-Einschaltquoten für Sportveranstaltungen weltweit findet man siebzehn NASCAR Rennen.


Der Talladega Superspeedway ist die legendärste und gleichzeitig die berüchtigste Rennstrecke im NASCAR Kalender. Natürlich werden dort nur die Rennen der ersten Liga gefahren - die Formel 1 von NASCAR sozusagen.
Mit einer Länge von 4.3 km, vier Kurven mit bis zu 33 Grad Neigung und der ovalen Form ist es im Grunde eine riesige längliche Suppenschüssel, in deren inneren oberen Rand die Auto fahren. Am Boden der Suppenschüssel sind die Boxen und sonstigen Werkstätten, plus ein weitläufiges Areal für Wohnmobile. Am Rand der Suppenschüssel befinden sich die Zuschauertribünen, und im weiteren Areal der Rennstrecke sind dann noch dutzende weitere Campingplätze für Wohnmobile zu finden.
Denn deswegen fährt man eigentlich zweimal im Jahr für ein langes Wochenende nach Talladega - es ist ein großes Campingvergnügen, mit BBQ, Parties und dazwischen Unterhaltung durch die verschiedenen Rennen, die von Freitag bis Sonntag dort statt finden.
Das Stadion selbst fasst 175000 Leute, wobei die tatsächliche Anzahl der anwesenden Menschen an einem Rennwochenende durch die Vielzahl der Camper, die einfach nur dafür angereist sind, wahrscheinlich gut doppelt so groß sein dürfte.

Die Rennstrecke selber gehört der Familie, der wir auch NASCAR zu verdanken haben und offensichtlich haben sie es finanziell nicht nötig, außer den zwei Rennwochenenden im April und Oktober jeden Jahres etwas anderes dort statt finden zu lassen. Ach ja, an bestimmten Wochenenden kann man - gegen gute Bezahlung, versteht sich - selber in ein NASCAR Rennauto steigen und ein paar Runden drehen (6 Runden kosten rund $500). Sonst aber liegt dieses riesige Gelände mit dem Suppenschüsselrennkurs die meiste Zeit brach.
Wenn dann aber Rennwochenende ist, dann ist auch ordentlich was los ...

... nämlich jede Menge Unfälle, Rennabbrüche, Führungswechsel und das alles bei Geschwindigkeiten von bis zu 180 mph (gut 280 kmh).
Die Autos, deren äußeres Erscheinungsbild einem normalen Mittelklasseauto gleicht, haben bis zu 600 PS und würden, ohne das inzwischen obligatorische Begrenzungsblech vor dem Lufteinlass, gut 220 mph (350 kmh) schaffen. Zur Sicherheit begrenzt man die Geschwindigkeit heutzutage, nachdem die Autos so schwer wurden mit der Zeit, dass das Handling bei über 200 mph nicht mehr länger beherrschbar war. Wieso man dann nicht gleich kleinere Motoren einsetzt, anstatt die großen V8, 6 Liter Triebwerke künstlich in ihrer Leistung zu begrenzen ist nicht ganz einsichtig. Aber bei NASCAR ist vieles eine reine Image-Sache und da die US Autofirmen (und einige der ausländischen Firmen ebenso) immer noch Straßenautos mit solchen Motoren (allerdings mit ungefähr halb so vielen PS) anbieten, ist es zu Werbezwecken wohl opportun solche antiquierten Dinosaurier einzusetzen. Elektronik sucht man sowohl in den Motoren als auch in den Fahrzeugen selber vergeblich, alles ist noch rein mechanisch gesteuert, wie vor fünfzig Jahren. Alles ist auf brutale Kraft eingerichtet, Finesse und Ingenieurskunst, wie in der Formel 1 zum Beispiel, sind nicht gewünscht.
Dafür entwickeln diese Boliden aber einen Sound, der dem eines startenden Jumbo-Jets gleicht. Wenn der ganze Pulk von dreiundvierzig Autos in den ersten paar Runden, bevor sich das Feld unweigerlich auseinander zieht, an einem vorbei braust, tut man besser daran sich mit guten Ohrenstöpseln ausstaffiert zu haben - der Lärmpegel erreicht locker über 140 Dezibel, denn auch Schalldämpfer sind bei NASCAR Autos Fehlanzeige.

Das hat man aber nur gut einmal pro Minute auszuhalten, denn für eine Runde brauchen die Renner knapp fünfzig Sekunden. Um noch schneller zu sein hat sich in den vergangenen paar Jahren eine besondere Fahrtechnik entwickelt. Das normale Windschattenfahren wird dadurch so auf die Spitze getrieben, dass zwei Autos so dicht beieinander fahren, dass sich die Stoßstangen berühren. Man gewinnt dadurch bis zu 15 mph zusätzliche Geschwindigkeit, hat dafür aber natürlich auch das größere Risiko an der Mauer zu landen wenn die beiden Partner nicht besonders präzise im Gleichklang fahren. Dabei sucht man sich seinen Windschattentandemfahrpartner je nach Rennverlauf und wechselt auch gerne mehrmals während eines Rennens, je nach Situation.
Entschieden wird dann ein solches Rennen meistens auf den allerletzten Metern in einem Fotofinish - kurz vor der Ziellinie lösen sich die Windschattenpartner und was in den hundertzwanzig Runden vorher war, geht am Ende im Bruchteil einer Sekunde unter.

Beim heutigen Aaron's 312 Nationwide NASCAR Race war die Entscheidung dann doch nicht ganz so spannend. Nach 56 Führungswechseln, 11 Rennunterbrechungen, 2 Rennabbrüchen, 10 Unfällen (einer davon mit 21 Autos), kamen schließlich von 43 gestarteten Autos noch 17 über die Ziellinie, wobei die letzte Runde wegen des letzten Unfalles des Tages ganz schiedlich-friedlich hinter dem Pace Car beendet wurde.
Aber das ist Talladega - jede Menge Chaos, Unfälle, Wracks, Qualm, Lärm, umher fliegende Teile und dabei kaum einmal jemand, der ernsthaft verletzt wird. Und das, obwohl es so gut wie keine Auslaufzonen gibt, sondern nur stabile Begrenzungsmauern, Fangzäune an den Zuschauertribünen und Autos, die tatsächlich noch aus Stahlrohren und Blech bestehen.

Noch eine letzte Besonderheit von NASCAR sei kurz erwähnt. Sponsoring.
Nun ist man es ja auch in Europa längst gewohnt, dass Stadien nach Versicherungen oder Biermarken benannt werden und dass Michael Schumacher mit mehr Trikotwerbung auf seinem Rennanzug herum läuft als die gesamte Fußball-Bundesliga samt Ersatzspielern zusammen.
Aber hier bei NASCAR ist das noch etwas verschärfter, da wird sogar in die Renndistanz eingegriffen, weil es der Sponsor so will.
Das Aaron's 312 Nationwide Rennen wird im Rahmen des Nationwide Cups ausgetragen. Dabei ist Nationwide nicht etwa eine Bezeichnung wie "Nationalliga", sondern der Name der Versicherung welche diesen Cup sponsort (d.h. gegen viel Geld ihren Namen dort voraus stellen darf). So nebenbei, der andere große NASCAR Wettbewerb ist der Sprint Cup - das ist nicht etwa eine Serie von  Kurzstreckenrennen, sondern der Name eines großen Telekommunikationsunternehmens.
Normalerweise fährt man bei NASCAR Rennen mit geraden Meilenangaben - 250, 300, 500. Nun ist es aber so, dass der Werbeslogan von Aaron's, einem nationalen Auto-Leasing Anbieter, folgendermaßen lautet: "3 ways to buy, 12 reasons to shop at Aaron's" (in etwa: 3 Arten zu einem Auto zu kommen, 12 Gründe um bei Aaron's zu kaufen).
Daher also die Renndistanz von 312 Meilen.
Auch bei der Nennung der Fahrer und ihrer Autos spielt immer und überall der Sponsor mit: "Kyle Busch, im Nummer 18 Z-Line Designs Toyota ...", oder "Morgan Shepherd, im Nummer 89 Racing with Jesus / Imperial Bedding Company Dodge ...". Nein, das habe ich mir nicht ausgedacht. Das ist hier eben so. Und bei NASCAR eben noch viel lauter ...






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