Sunday, December 30, 2012

Jerk

Seit der letzten Runde der Restrukturierung, Zusammenfassung und Schließung von US Militärbasen (Base Re-Alignment and Closures - BRAC), die von 2005 bis Ende 2011 lief, sind gut 5000 militärische und zivile Dienstposten von anderen Stützpunkten ins Redstone Arsenal verlegt worden. Die weitaus meisten kamen dabei aus den nördlicheren Gefilden der USA, aus Virginia und North Carolina zum Beispiel.
Nun gehören diese beiden Staaten auch zu den "klassischen" Südstaaten und waren Teil der Konföderierten Staaten von Amerika im Bürgerkrieg. Also sollte man meinen, dass Zugezogene von dort annähernd die gleichen Manieren, Traditionen und Gebräuche mitbringen, wie sie hier in Alabama und den übrigen Südstaaten gepflegt werden. Wie zum Beispiel Rücksichtnahme, Freundlichkeit, Zurückhaltung und Hilfsbereitschaft.
In den vergangenen Jahren haben wir aber zunehmend feststellen müssen, dass je mehr "Auswärtige" hierher versetzt wurden, sich der Umgangston hier in Huntsville zunehmend rauer gestaltet.
Vor allen Dingen nimmt man das auf den Straßen, beim Auto fahren wahr. Wo früher abwarten, vorbei winken, sich miteinander verständigen die Norm war und defensives Fahren tatsächlich praktiziert wurde, ist mittlerweile vordrängeln, dicht auffahren und anhupen auf dem Vormarsch. Und immer sind es Leute mit Nummernschildern aus New York, Virginia, North Carolina oder Pennsylvania die derart dumm auffallen.

Und heute ist mir dann der Kragen geplatzt. Ich war mit den Kindern im Auto unterwegs zum Spielplatz und musste an der Einfahrt von unserer Siedlung auf die Hauptstraße anhalten um eine passende Stelle im fließenden Verkehr abzuwarten. Mit den Kindern hinten drin bin ich da immer extra vorsichtig und gewissenhaft und versuche nicht mich mit Vollgas in jede kleine Lücke zu zwängen.
Da hupt es plötzlich. Dem Typen hinter mir schien es nicht schnell genug zu gehen. Nun ja, soll er hupen, ich entscheide hier wann ich die Situation für angemessen halte mich auf die gegenüberliegende Spur einzufädeln. Da hupt er nochmal.
Einmal zuviel, du Idiot.
Ich also raus aus meinem Auto und zu ihm hin - was denn sein Problem wäre?!
Ich hätte schon zwei Gelegenheiten verstreichen lassen, das war sein Problem. An einem Sonntagnachmittag, wo es auf jede Zehntelsekunde ankommt. Ich war sprachlos.
"Na und?!", war meine - zugegebenermaßen recht lahme - Replik.
Ehe ich noch etwas anderes sagen konnte, setzte er schon zurück, fuhr an meinem Auto vorbei (die amerikanischen Einfahrten sind alle recht großzügig ausgelegt ...) und bog mit heulendem Motor und quietschenden Reifen auf die Hauptstraße ein.
Ich ging ganz gemütlich zu meinem Auto, stieg ein und fuhr auch los. An der nächsten Ampel, gute zwei Kilometer weiter, stand er dann vor mir und wartete auf Grün. Da hatte ich dann auch einen guten Blick auf sein Nummernschild - North Carolina. Dummer Yankee-Jerk ...

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