Tuesday, February 1, 2011

Reprogramming

Mir stehen pro Jahr ein paar Tage Fortbildung zu - keine Ahnung wie viele. Da ich in den vergangenen drei Jahren sowieso nie Zeit dafür hatte, habe ich mich nie für die genaue Anzahl interessiert.
Es sind auf jeden Fall mindestens vier Tage, denn soviel habe ich mir jetzt endlich mal gegönnt - ich habe mir einfach die Zeit genommen.
Gestern und heute hatte ich den ersten von zwei zweitägigen Kursen an der University of Alabama in Huntsville (UAH). Es ging um die Grundlagen von Testprogrammen, im Mai folgt dann der nächste Kurs, über Systemtests.
Tat richtig gut mal wieder an einer Uni zu sein und was zu lernen.
Und wie das des öfteren hier so ist, man lernt nebenbei auch etwas über die Amiländer selbst, über ihre Denkweise, ihren Charakter, ihre Selbsteinschätzung und ihre Sicht der Welt.

Im konkreten Fall heute ging es um Afghanistan. Das ist hier eine große offene Wunde in der Gesellschaft und jeder, vor allen Dingen hier in Huntsville, mit der großen Militärbasis Redstone Arsenal, kennt mindestens eine Familie, die einen oder mehrere Angehörige dort haben oder hatten. Und viele sind dabei, die die Bilder ihrer Lieben nunmehr mit Trauerflor zeigen.
Man ist sich generell, quer durch alle politischen und gesellschaftlichen Schichten, einig dass das ein schrecklicher Molloch ist und man die Truppen lieber heute als morgen wieder aus diesem Chaos heraus haben möchte.
Aber wie soll das gehen? Nichts scheint sich zu bewegen, zu verbessern in Afghanistan. Ein Schritt nach vorne heute, drei Schritte zur Seite morgen und zwei Schritte zurück übermorgen.
Die Afghanen, so ist der Eindruck den offensichtlich viele haben, wollen sich eigentlich gar nicht helfen lassen.Was also tun?
Reprogrammieren.
Ernsthaft. Das wurde heute von unserer Kursleiterin so vorgeschlagen. Umerziehung also - HDTV, SUVs, BlueRay, Football, Burgers and Fries with a Coke. Macht die Afghanen zu Konsumjunkies, dann ist Ruhe dort. Wer sich Sorgen um seinen Flatscreen-TV macht, der schießt nicht mehr wild um sich. Er könnte ja das TV treffen und dann das nächste Hammelrennen verpassen.

Nun ja, so neu ist die Idee ja nun auch wieder nicht. Pol Pot hat das mal in Kambodscha versucht - der wollte nur noch Bauern um sich haben und endete schließlich mit einigen Millionen Totenschädeln statt dessen.
Und war das nicht auch etwas, was die Kommunisten im Ostblock immer getan haben, wenn auch in weitaus bescheidenerem Maßstab?
Aber Amerika schafft das schon - wenn sie sich das richtig vornehmen, tanzt in zwei Jahren Lady Gaga in Kabul.

Wenn ich zynisch wäre, könnte ich das durchaus Kultur-Kolonialismus nennen. Na ja, das haben sie ja auch nicht anders mit uns nach dem zweiten Weltkrieg gemacht.Allerdings haben wir uns da nicht großartig zur Wehr gesetzt, sondern waren froh dass es endlich wieder vernünftige Musik gab (die ewige Marschmucke konnte ja auf Dauer keiner aushalten ...).
Die Afghanen sind da wohl nicht so begeistert - schließlich sind die in den letzten zweitausend Jahren oder so auch ganz gut ohne Lady Gaga ausgekommen. Dabei können sie sich glücklich schätzen, dass ihnen mittlerweile so ein merkwürdiger Zeitgenosse wie Michael Jackson erspart bleiben wird, in ihrem Reprogrammierungsprojekt. Wenn der sich bei seinem ersten Konzert in Kabul andauernd in den Schritt gegriffen hätte ... nicht auszudenken, welche Programmierung damit bei der afghanischen Jugend erreicht worden wäre.
Nun ja, warten wir mal ab, ob sich diese Idee gegen die Wild-West-Lobby ( ... zuerst hängen, dann Fragen stellen ...) durch setzen kann. Wahrscheinlich nicht, denn so richtig traut hier niemand diesen turbantragenden Halbwilden die Intelligenz zu, fehlerfrei einen Big Mäc bestellen zu können. Und bevor das nicht gesichert ist, können wir unmöglich Lady Gaga auf diese Banditen los lassen. Dann schon eher einen exhumierten Michael Jackson - den Unterschied würden die sowieso nicht mit bekommen ...

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