Saturday, September 11, 2010

Bike

Als wir hierher nach Alabama umgezogen sind haben wir unsere Fahrräder in Deutschland gelassen. Absichtlich, denn hier gibt es generell keine Fahrradwege - und auf der Straße zu fahren käme einem Selbstmordversuch gleich. Kein Autofahrer wüsste, wie mit diesen Dingern von einem fremden Planeten umzugehen wäre - Chaos, nein, das Ende der Welt stünde uns bevor.
Es gibt also keinen Bedarf nach, was man in Deutschland "Tourenräder" oder "Straßenräder" nennen würde - ganz normale Fahrräder, mit Sattel, Gepäckträger, Licht, Bremsen, Gangschaltung und Schutzblechen.
Was man hier findet sind Kinderräder und Mountain Bikes. Denn das Fahrrad ist hier kein Transportmittel, sondern entweder Kinderspielzeug oder Sportgerät.
Um von A nach B zu kommen - wobei in Amiland A von B im Durchschnitt gut und gerne mehr als zehnmal so weit voneinander entfernt ist wie in Deutschland - hat man ein Auto. Und das bereits mit 16. Wozu also ein Fahrrad? Zum Spielen und zum Sport machen.

Nun gibt es aber auch für fünfzehnjährige durchaus Gründe, um von A nach B kommen zu müssen und manchmal sind die Eltern einfach zeitlich nicht in der Lage, die benötigten Transportdienste zu leisten. Wer hier später einmal bei einer guten Universität studieren möchte, der sorgt tunlichst dafür in der High School in den einschlägigen Honor Societies zu sein. Dafür sind gute Noten, ein gepflegtes Auftreten und die Bereitschaft, Zeit für die diversen Treffen und gemeinnützigen Aktivitäten dieser Gesellschaften aufzubringen.
Und das findet normalerweise alles in der Schule, aber außerhalb der Schulzeit statt.

Bisher war das für uns kein Problem, denn die Schule unseres Großen, Discovery Middle School,  war zu Fuß in fünfzehn Minuten zu erreichen und so lief er halt nach und von Zuhause von und zu seinen Treffen.
Doch nun geht er auf die Bob Jones High School, die zwar an der gleichen Straße liegt, aber gut zwei Kilometer weiter entfernt ist. Zu Fuß braucht man da gut und gerne eine Dreiviertelstunde - was dazu führen würde dass er Mittwochs um sechs Uhr fünfzehn das Haus verlassen müsste um rechtzeitig zum Treffen seiner neuen Gruppe zu kommen. Denn fahren können wir ihn um diese Uhrzeit nicht - ich muss in den Dienst und meine Frau hat alle Hände voll mit den beiden Kleinen zu tun.

Nun haben wir das große - und total unerwartete - Glück, dass einer der wenigen Geh- und Fahrradwege in Madison von unserer Siedlung die Hauptstraße entlang an den beiden Schulen vorbei führt. Was also liegt da näher als ein Fahrrad zu kaufen um damit die Transportprobleme zu loesen.
Leicht gesagt ...
Also sind wir heute los, zuerst zum Target, dann zum Wal Mart an der 72, dann zu Madison Cycles, dann zum Wal Mart auf dem Madison Boulevard. Überall das gleiche Bild - pinke Kinderräder oder Mountain Bikes. Und ein Modell von Schwinn, das hier unter Tourenrad firmiert. Schwinn ist hier in Amiland so etwa vergleichbar mit Hercules in Deutschland - legendär. In den fünfziger Jahren hatte hier jeder ein Schwinn Bike und genau dieses Modell stellen sie wieder her - in der genau gleichen Ausführung, ohne Gangschaltung, ohne Felgenbremse (Rücktritt hat es ...), ohne Licht, ohne alles. Dazu die ergonomische Gestaltung von vor fünfzig Jahren - da hängt man drauf wie der Affe auf dem Schleifstein.
Und dann bei Madison Cycles - kein Rad unter tausend Bucks, dafür aber eine ganz ordentliche Kollektion von Rädern mit Elektrohilfsmotor.
Also dann doch ein Mountain Bike. Mann, haben die schmale Sattel ... nix für ausgedehnte Radtouren. Aber die Mountainbiker stehen ja sowieso die ganze Zeit aufrecht in den Pedalen, wozu dann bequeme Sättel einbauen. Und die Bowdenzüge für Bremsen und Gangschaltung liegen auf dem Rahmen, nicht im Rahmen wie eigentlich gewohnt. Licht haben die Dinger auch nicht, braucht man auch nicht beim Querfeldeinfahren, denn das tut man besser sowieso nur bei Tageslicht.
Und sie haben keine Schutzbleche an den Rädern - bei Regen oder dreckiger Straße saut man sich da ordentlich ein. Auch kein Problem für Mountainbiker - je schmutziger, desto mehr Ansehen untereinander. In der Schule kommt das natürlich nicht so gut ...
Aber egal, eine Alternative gab es nicht und preisgünstig war das Ding auch - ganze 88 Dollares (ohne Tax) hat den Großen das Rad gekostet. Mit Helm, batteriebetriebenen Lampen, Diebstahlsicherung und Steuern waren es dann gute 150 Dollares. Kein schlechter Deal.
Kurzer Blick ins Internet - dort gibt es für rund zwanzig Dollar Schutzbleche zu kaufen, damit wäre dann dieses Problem auch gelöst. Und in vier Monaten darf er dann sowieso alleine Auto fahren ...



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