Friday, October 2, 2009

First Class

Bis Jahresende werde ich von den verbleibenden zwölf Wochen fünf mit Dienstreisen zubringen. Habe ich mir nicht ausgesucht, das bringt der Job halt so mit sich.
Als Angehöriger einer multinationalen Regierungsagentur bin ich dabei den üblichen Sparsamkeitsgrundsätzen verpflichtet um das Geld der Steuerzahler nicht unnütz zu verschwenden - also fliege ich Holzklasse. Unsere Vertragspartner bei der Industrie fliegen Business Class, das haben sie sich so in den Vertrag hinein schreiben lassen. Was dazu führt, dass sie nach einem zehn Stunden Flug nach Europa frisch und ausgeruht in die Meetings kommen, während wir Regierungsvertreter zerschlagen, gnarzig und halbtot vor Müdigkeit dort herum hängen - was irgendwie schon ein unfairer Vorteil für die andere Seite ist. Aber das ist eine völlig andere Geschichte und ich wollte es nur mal so nebenbei erwähnen.

Nun war ich also in dieser Woche auf der ersten der fünf Dienstreisen und konnte meinen Augen nicht trauen - für den Rückflug von Orlando nach Atlanta gestern war ich in der First Class gebucht. Keine Ahnung wieso, vielleicht hat die Agentur einen Vielfliegerbonus eingelöst, vielleicht hatte Delta keine Holzklassensitze mehr frei auf diesem Flug - egal, erste Klasse ist erste Klasse, da stellt man keine Fragen, sondern genießt diese Gelegenheit. Leider nur für knappe neunzig Minuten, denn länger dauerte der Flug nicht.

Aber das ist schon ein Unterschied.
Es fängt damit an, dass man als erster ins Flugzeug darf. Kein Gedrängel im Gang, keine Probleme das Handgepäck unterzubringen, weil irgendwelche Idioten meinen sie müßten die Overhead Stauräume mit ihren Überseekoffern zustopfen. Nein, mit nur zwanzig Passagieren in der ersten Klasse gibt es kein Gerangel, keine Wartezeit und keine Hektik.
Nachdem man also seine Habseligkeiten locker verstaut hat setzt man sich ... nein, man setzt sich nicht so einfach, man logiert. Die Sessel, ledergepolstert selbstverständlich, sind breit und tief und hoch und haben einen Sitzabstand den man tatsächlich als solchen bezeichnen kann. In der Holzklasse kämpfe ich andauernd mit meinen Vorderleuten, die ihre Lehnen zurücksetzen wollen und dabei mit meinen Knien kollidieren. Sie drücken, ich drücke und irgendwann einigen wir uns dann entnervt auf eine Mittelposition.
Nicht so in der ersten Klasse, hier herrscht Freiheit - Beinfreiheit!
Man richtet sich also gemütlich ein und schon kommt die Stewardess und kümmert sich um das leibliche Wohlbefinden - Cola, Bier, Wein, Cocktails, was hätten Sie denn gerne?!
Währenddessen tobt hinter einem, in der Holzklasse, der übliche Kleinkrieg beim Einsteigen, herrscht Chaos und Hektik und immer wieder kommt die Durchsage, man möge doch den Gang freimachen und sich gefälligst hinsetzen damit wir endlich los können.
Mich ficht das diesmal nicht an, ich sitze bereits seit gut einer Viertelstunde gemütlich und entspannt in meinem Ledersessel, sehe den Piloten bei den Startvorbereitungen über die Schulter und schlürfe an meiner Cola.




Ach ja, das Eis beginnt langsam zu schmelzen - könnte ich ... aber natürlich bekomme ich ein frisches Glas, serviert mit einem strahlenden Lächeln.
Glas. Nicht Plastik. Ein Glas, aus echtem Glas. Nicht Plastik. Aber das sagte ich schon. Wer es nicht glaubt - ein Bild sagt mehr ....





Und als Snack hatte ich die Auswahl zwischen Peanuts, Brezeln, Twix, Cookies, Kaviar und Hummer ... na ja, ich habe mich dann für das Twix entschieden, Kaviar auf nüchternen Magen vertrage ich nicht so gut.

Ich habe niemals zuvor so einen entspannten und bequemen Flug gehabt. Und natürlich waren wir erste Klasse Passagiere auch die ersten, die in Atlanta das Flugzeug wieder verlassen haben -  hätte ich mich erst durch die Holzklasse nach draußen kämpfen müssen, wäre mein Anschlußflug auch nicht zu schaffen gewesen.


Ein großes Problem habe ich jetzt natürlich - wie kann ich nach dieser Erfahrung jemals wieder Holzklasse fliegen? Ich bin von nun an verdorben für diese Art des Massentransports und mein einziges Ziel im Leben wird fortan sein, wieder in den Genuß dieser exquisiten Erfahrung zu kommen - vielleicht sogar bei einer Dienstreise nach Europa. Zehn Stunden erste Klasse - das ist wie eine kleine Gehaltserhöhung ...

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