Monday, August 31, 2009

Tom Stefo

Tom Stefo ist tod. Herzinfarkt mit 51. Noch vor kurzem hatte er beim Glücksrad im TV ein bißchen Geld gewonnen. War hochdekoriert bei der Air Force, danach im Redstone Arsenal bei der Army und zuletzt bei unserem Laden. Hinterläßt eine Frau und fünf Kinder. War immer freundlich und vergnügt, fit wie ein Turnschuh und lebenslustig.
Am Donnerstag war die Beerdigung. Sein ältester Sohn wohnt irgendwo an der Westküste und mußte für das Flugticket, weil wirklich von einem Tag auf den anderen gekauft, viel Geld bezahlen. Seine älteste Tochter kam per Auto aus dem College heim gefahren - das Spritgeld hat da auch ein Loch in die Kasse gerissen.
Also haben wir gesammelt. Das macht man hier so. Man erkundigt sich, womit man helfen kann und bekommt es auch gesagt, ganz ohne Scheu oder falsche Scham. Bis zur Beerdigung haben Nachbarn und Freunde es übernommen, die Familie täglich mit warmen Mahlzeiten zu versorgen. Ab dieser Woche machen das dann seine ehemaligen Kollegen. Das hilft mehr als Blumenkränze, Beileidskarten oder ähnliches. So sind sie, die Amerikaner - praktisch bis in den Tod ...
Und ein bißchen sentimental. In unserer Agentur wird demnächst ein Konferenzraum nach Tom benannt - die Einweihung wird dann mit Familie und allem drum und dran stattfinden. Eine würdige Maßnahme, wie ich finde.

Saturday, August 29, 2009

Madison, AL

Wozu so eine Dienstreise gut ist ...
Da sitze ich also im Flieger nach Atlanta und sehe kurz nach dem Start vom Huntsville Airport ein blaues Dach unter mir.
Die Schule unseres Großen hat so ein blaues Dach. Und die Richtung in die wir starten führt uns auch nach Madison. Und sehe ich da nicht ein paar gelbe Schulbusse auf dem Parkplatz?
Ja, es ist die Schule. Und drumherum die Gegend von Madison, in der wir wohnen. Leider habe ich unsere Siedlung nicht mehr auf das Bild bekommen, da der Pilot kurz bevor sie in Sichtweite gekommen wäre in eine Kurve ging, die uns in eine andere Richtung führte.
Na ja, dann eben das nächste Mal - es ist nicht die letzte Dienstreise gewesen ...

Saturday, August 22, 2009

Deep in the Heart of Dixie



Der US Highway 278 verläuft von Georgia kommend mitten in Alabama von Ost nach West. Eine Teilstrecke führt über 50 Meilen von Cullman nach Natural Bridge.
Diese Gegend kann man mit Fug und Recht als das Herz des Dixielandes bezeichnen.

Mehr Provinz geht nicht. Wenn auf diesen 50 Meilen während des größten Teils der Strecke keine Handy-Verbindung zu bekommen ist, kein McDonalds oder sonstiger Fast Food Joint existiert und einem zwischen 8 und 9 Uhr abends auf der Fahrt von Double Springs nach Cullman über gut 40 Meilen gerade mal ebensoviele Autos entgegen kommen - und vor und hinter einem kein einziges Auto in die gleiche Richtung zu fahren scheint - ist man im Zentrum der Südstaaten angekommen. Nicht, dass hier die Zeit stillstehen würde - sie hat nur keine Bedeutung mehr.

Nichts ändert sich hier jemals. Und wieso auch? Das Streben nach Fortschritt, die Suche nach neuen Horizonten, die Sehnsucht nach der Welt jenseits der grünen Berge - was ist das schon gegen ein Stück Heimat, das man kennt wie seine Westentasche, die Freunde, an deren Leben man vom Kindergarten bis zur Bahre Anteil nimmt, das Gefühl von Sicherheit, wenn die BBQ Sauce im örtlichen Diner immer gleich schmecken wird, auch wenn vielleicht die Besitzer mit den Jahren immer mal wechseln.
Man ist zufrieden mit dem was man hat und stolz, dass man nicht mehr braucht. Sollen die anderen machen was sie wollen, entlang US Highway 278 mißt man das Dasein mit eigenen Maßstäben.

Eindrücke von einer Reise ins Hinterland der Zivilisation ...

1. Gott, Familie und Flagge.
Betet ohne Unterlaß und Amerika wird aus diesem bedauernswerten Zustand, in dem es sich gegenwärtig befindet, errettet werden ... es ist noch nicht zu spät für eure Erlösung!





2. Die morbide Schönheit des Vergangenen
Man muß manchmal schon genau hinsehen, um verfallenes, noch bewohntes von verfallenem, unbewohntem zu unterscheiden. Ich habe mich (diesmal) noch zurückgehalten und mich auf die aufgegebenen Bauten konzentriert. Aber auf meiner Liste für den nächsten Besuch stehen einige Gebäude, bei denen man nicht glauben will, das darin tatsächlich noch Leute wohnen ...







3. Provinz as Provinz can be ...
Double Springs, Alabama. Verwaltungssitz von Winston County, Alabama. Hier tobt das Leben, hier tanzt der Bär.
Hier wird am Sonntag Abend nach der Kirche im Jack's (Filiale 178) eingekehrt um bei Burgers and Fries Jesus hoch leben zu lassen und über die bevorstehende High School Football Saison zu diskutieren. Ernsthaft, ich war dabei. Saß ganz friedlich da und mümmelte an meinem Burger, als am Nebentisch plötzlich eine Kirchenhymne angestimmt wurde. Ab und zu war dann auch von anderen Tischen ein "Jesus is the Lord" oder ähnliches zu hören, dem alle anderen Anwesenden fröhlich zustimmten. Alles sehr bizarr und irgendwie surreal.


Aber was soll man in Double Springs schon groß anderes tun? Gute tausend Einwohner, eine Tankstelle, ein Jack's (Filiale 178), ein Dollar General, ein Subway's.
Die örtliche Jugend trifft sich am Wochenede (nach dem Kirchgang) auf dem Parkplatz eines der oben genannten Etablissements und tut ... keine Ahnung, was die tun. Abhängen, Sprüche klopfen, die bevorstehende High School Football Saison diskutieren wahrscheinlich.
Im übrigen ist die Gegend so weiß wie frisch gebleichte Wäsche. Der Anteil der afro-amerikanischen Bevölkerung in Double Springs gigantische 0,3 %. Das sind umgerechnet auf die Einwohnerzahl ganze 3 Personen. Im alabamischen Durchschnitt sind es runde 30 % ...





4. Blau gegen Grau
Der Bürgerkrieg ist hier im Süden immer noch überall präsent. Nicht nur durch entsprechende Statuen auf öffentlichen Plätzen, Civil war Reenactments am Wochenende oder Gedanktafeln an den Straßen.
Auch unterschwellig, in den Köpfen der Leute, spukt er auch nach fast 150 Jahren noch herum.
Mehr als einmal habe ich statt Bürgerkrieg den Ausdruck "The war of nothern aggression" als Bezeichnung gehört - der Angriffskrieg des Nordens.
Als ich das erstemal durch Double Springs fuhr, fiel mir auf dem Rathausplatz eine Statue auf, die zwei Flaggen zeigte - die Stars and Stripes der United States of America und die Kriegsflagge der ehemaligen Confederate States of America.
Es ist alleine schon ungewöhnlich die Südstaaten-Kriegsflagge an einem offiziellen Denkmal zu sehen - das war lange Zeit weder politisch korrekt, noch hätten es die schwarzen Bürgerrechtsvereine tatenlos hingenommen.
Aber hier flatterten die beiden ehemals feindlichen Flaggen einträchtig an der Skulptur eines Bürgerkriegssoldaten im Wind, was merkwürdig war und meine Neugier weckte.


Was es damit auf sich hatte, wurde auf der Tafel am Sockel des Denkmals erklärt.
Im Bürgerkrieg kämpften nämlich 112 junge Burschen aus Winston County auf Seiten der Südstaaten - und 239 auf der der Nordstaaten. Die Gründe werden leider nicht erklärt.



5. Merkwürdigkeiten und Bemerkenswertes
Amerikas Straßenränder sind der Hort alles Skurrilen, Bizarren und Aussergewöhnlichen. Leider bin ich nicht dazu gekommen, die Elefanten zu fotografieren, die auf Säulen neben der Einfahrt eines Herrenhauses an der 278 zu sehen sind. Oder das Loch mit den Schrottautos. Oder die Friedhof der Wohnmobile ... das steht alles auf der Liste für ein anderes Mal.
Aber auch so hat es schon gereicht - ich habe immerhin den Sommerwohnsitz des Weihnachtsmannes gesehen, einen Jeep als Werbezeichen auf einem Pfahl und den Melonenstand, zu dem man einfach hinfährt, sich nimmt was man will und soviel Geld dort liegen läßt, wie man meint dass es angebracht sei.


6. Alabama the Beautiful
Und dann ist da noch die Schönheit des Landes. Naturbelassene Flüsse, überdachte Holzbrücken, ein Sonnenuntergang über einem Kornfeld mit einem Silo drin ... man muß nur die Augen auf machen und das Land in sein Herz lassen.




Thursday, August 20, 2009

The Specialist

Zur Zeit findet hier in Amiland ja die erbitterte Debatte um das Pro und Contra einer staatlichen Krankenversicherung statt.
Kommunismus, schreien die einen. Solidarität, schreien die anderen.
Und immer wieder hört man das Argument, dass man den Eingriff des Staates gar nicht brauche, weil man ja sowieso das beste Gesundheitssystem der Welt habe.
Stimmt auch. Wenn man es sich leisten kann, findet man hier die besten Ärzte.
Auch wahr ist, dass die USA das teuerste Gesundheitssystem der Welt haben - sogar ohne den 15%igen Anteil alter, kranker und armer Menschen, die im Moment eben keine Krankenversicherung haben - denn die würden nochmal so richtig Geld kosten.

Einer der Gründe für die horrenden Kosten für ärztliche Dienste könnte darin liegen, dass es hier für alles - und das meine ich wirklich so: ALLES! - einen Spezialisten gibt.
Meine Frau hatte Schmerzen im rechten (man achte darauf: der rechte) Fuß. Also ist sie zum Podiatristen gegangen.
Dort hat man ihren Fuß geröngt - aber leider nur den vorderen Teil, von den Zehen bis zum Ansatz des Knöchels. Den rechten, wohlgemerkt. Denn nur dafür war der Doktor zuständig: rechte Vorderfüße.
Da es meiner Frau aber eigentlich eher im hinteren Bereich weh tat, bekam sie einen weiteren Termin bei einem anderen Fußdoktor in der gleichen Praxis. Der ist nun für rechte Hinterfüße zuständig ... und wenn der nichts findet hätten sie da auch noch einen Knöchelspezialisten im Angebot.

Kaum zu glauben? Ist aber eine wahre Geschichte - das schwöre ich, bei den Hühneraugen meines linken Mittelfußes ...

Wal-Martians

Für immer jung sein - einer der ältesten Träume der Menschheit.
Oder zumindest immer jung aussehen, ohne Falten, mit glatter makelloser Haut.
Oder, wenn das schon nicht geht, so doch zumindest immer perfekt geschminkt sein um so die gröbsten Stellen überdecken zu können.
Aber wer hat schon die Zeit dafür? Mit zunehmenden Alter nimmt leider proportional auch der Aufwand zu, den man da treiben muß, um den schönen äußeren Schein zu wahren.


Und da schlägt dann die große Stunde eines neuen Trends, der hier in Amiland in letzter Zeit ganz groß im kommen ist - Permanent Make-up.
Das ist im Grunde nichts anderes als das eintättowieren von Farben und Formen in die Gesichtshaut. So werden zum Beispiel sehr oft die natürlichen, "unperfekten" Augenbrauen entfernt und statt dessen "perfekte" eintättowiert.

Das Ganze vereinfacht das Leben dann auch ungemein und spart obendrein noch Geld:
Man muß nie mehr Kosmetikartikel kaufen, spart sich Tag für Tag die Zeit für's An- und Abschminken, kann seine Garderobe perfekt auf das nie mehr wechselnde Make-up abstimmen und braucht sich nicht mehr nach irgendwelchen Moden zu richten.
Hmm, beim nochmaligen Nachdenken ... hat das auch so seine Nachteile.
Aber egal, Augen zu und durch. Wenn selbst Berühmtheiten wie Pamela Anderson, Dolly Parton, Cher und Angela Jolie das haben machen lassen - dann muß es ja gut sein! Wie soetwas dann aussieht, zeigen diese Webseiten:

Make up by Wolf

Premier Pigments


Permanent Make-up by Renee

Und noch was Tolles: man kann damit richtig Geld verdienen! Für schlappe $1800 wird man in einem 5-Tage Kurs ausgebildet und dann auf die arglose Menschheit losgelassen. Das geld hat man ruckzuck wieder drinnen - man nimmt $200 pro Augenbraue, $600 für die Lippen - und für $450 pro Behandlung kann man sich das Ganze, wenn man der neonroten Lippenfarbe, die vor dreißig Jahren so total in gewesen war, schließlich doch überdrüssig geworden ist, per Laser wieder entfernen lassen. Permanent. Oder wenigstens so gut es geht.

Und was das nun alles mit Wal-Martians zu tun hat?
Nun, glaubt man dem Kolumnisten der Huntsville Times, versammelt sich die hiesige Gemeinde der permanent Geschminkten, bei denen es sich anscheinend vor allen Dingen um schon etwas ältere Semester handelt, bevorzugt zu nächtlicher Stunde im Wal Mart. Und da diese Gestalten irgendwie an die Marsmenschen (Martians) aus 1950er Science Fiction Filmen erinnern ...

Mich erinnert das eher an die Gesichter, die man bei einer Beerdigung im offenen Sarg vorfindet ... auch für die ist das die letzte Schminke, die sie je auflegen ...

Wednesday, August 19, 2009

30% off

Unsere Familie liest viel und gerne. Auf die Dauer schwächt das die Augen. Also tragen wir, bis auf die beiden Kleinsten, mittlerweile alle Brillen.
Ich ja schon etwas länger, meine Frau und unser Großer seit ein paar Wochen.
Gekauft haben wir die Brillen bei Lenscrafters - das ist so eine Kette wie in Deutschland Apollo Optik oder Fielmann.
Wieso gerade da? Weil wir dort Prozente bekommen haben - und zwar ordentliche 30 ...
Weil wir Mitglieder im AAA sind - dem amerikanischen ADAC. Die haben einen Deal mit Lenscrafters und dadurch haben wir eine ordentliche Stange Geld gespart. 30% um genau zu sein. Und schicke Brillen haben sie dort auch ...

Sunday, August 16, 2009

New Roof

Anfang April hatte es hier einen ordentlichen Hagelsturm gegeben - siehe Post: Hail.
Im ganzen Stadtgebiet hatte es damals Autos zerbeult und Dächer beschädigt.
Auch auf unserem Dach fehlten danach ein paar Schindeln. Flugs der Hausverwaltung gemeldet und siehe da, kaum vier Monate später klopfte es jetzt am Samstag mittag an unserer Tür. Sie hätten ja eigentlich schon heute morgen da sein wollen - dummerweise hatten sie dann aber den ganzen Kladderadatsch in der Lane abgeladen ... wir aber wohnen im Drive.
Näheres dazu findet man in diesem Post: DriveLaneCourt. Immer dasselbe. Wer sich diese bescheuerte Namensgebung ausgedacht hat ... egal, jetzt waren sie hier und legten auch gleich los. Wie die Cuerpo de Bomberos. Das ist spanisch für Feuerwehr - es waren nämlich alles Mexikaner. Was ich gut fand, denn die sind immer freundlich und sehr höflich und arbeiten sich den Allerwertesten ab ...

Zuerst rissen sie das ganze alte Dach ab. Hier wird nämlich nicht geflickt sondern gleich ganz neu gemacht. In Deutschland ersetzt man ein paar Tonschindeln, hier nicht. Gibt ja auch keine Tonschindeln hier, die Dinger sind aus imprägnierter Pappe.
Das Dach abgedeckt hatten sie bis Samstag abend. Und um Punkt Acht Uhr morgens am Sonntag machten sie dann weiter. Wie gesagt, die Mexikaner arbeiten sich hier den A.... ab.
Hier macht auch keine Kirche Wind, von wegen Sonntagsarbeit und so. Wer nicht in den Himmel kommen will, der soll Gottes Gebot gerne auf eigene Gegfahr mißachten und Sonntags nicht zur Kirche gehen ...
Und auch die Nachbarn haben sich nicht beschwert, obwohl den ganzen Tag lautes Hämmern, die Preßluftpistole, Sägen und anderer Lärm zu hören war.
Hier mäht man ja auch Sonntag mittags, in Deutschland wahrscheinlich die heiligste Zeit überhaupt, munter den Rasen.
So gegen sechs Uhr abends waren sie dann fertig. Und haben alles pikobello aufgeräumt und sauber gemacht hinterlassen. Nicht ein heruntergefallener Nagel war zu sehen, keine Sägespäne und kein Fetzen Verpackungsmaterial hing in den Bäumen.
Jetzt haben wir also ein neues, hoffentlich auch dichtes, Dach. Der Lackmustest wird schon in den nächsten Tagen kommen, wenn die Ausläufer der ersten Hurricanes der Saison hier vorbeiziehen sollen.


Rodeo

Jede Kultur hat ihre Feste, Feiern, Vergnügungen.
In Deutschland sind es Kirmes, Straßenfest oder Karneval, hier in Amiland ist das Rodeo seit 1888 ein wichtiger Bestandteil der Unterhaltungskultur. Und nicht nur im Westen, wo es eigentlich ja herkommt, sondern auch in solchen Gegenden wie Nord-Alabama, in denen eher nicht so viele Cowboys, sondern zumeist Rednecks und auch ein paar versprengte Hillbillys, zu finden sind.
Trotzdem finden hier an fast jedem Wochenende lokale Rodeos statt, meistens veranstaltet vom örtlichen Sheriff ... aber das ist eine andere Geschichte, die ich vielleicht später einmal erzähle.
Wir waren jedenfalls am Samstag beim zweiten jährlichen Cattlemen's Rodeo im Agribition Center der A&M University.
Um es kurz zu beschreiben: eine Art Peter Steiner's Komödienstadl mit Nutzvieh.
Ein Rodeo-Clown, der auf reichlich plumpe Art seine sexistrischen, homophoben Witzchen riß, unterbrochen von allerlei Fang- und Reitspielen.
Daß den Mustangs beim Bareback-Riding die Weichteile abgebunden werden um sie ordentlich bocken zu lassen, fand ich widerlich.
Der nationalistische Pathos, unter dem die ganze Veranstaltung ablief war ja an und für sich nichts Neues mehr für mich - dass aber vor Beginn der Veranstaltung ein öffentliches Gebet gesprochen wurde, in dem Gott um den Schutz der Truppen in Übersee gebeten wurde, nicht aber, wie sonst eigentlich üblich, auch für das Wohl des Präsidenten, war schon etwas besonderes.
Auch, dass unter den gut achthundert Zuschauern nur ein schwarzes Gesicht zu erblicken war, fiel mir auf.
Als dann noch mit überbordendem Pathos (sorry, ich kann kein anderes Wort finden um es zu beschreiben ...) das Lied "God bless America again" abgespielt wurde, in dem der schlechte Zustand des Landes beklagt und göttliche Intervention erbeten wird doch alles wieder so gut wie früher sein zu lassen, und dazu ein in den Flaggenfarben herausgeputztes kleines Mädchen mit der US-Fahne durch die Manege ritt, fühlte ich mich einigermaßen ... plümerant. Und das lag nicht an dem Viehstallgeruch, der in der stickigen Halle hang - ich bin auf dem Land aufgewachsen, das haut mich nicht um.

Nun ja, es war also ein interessanter Abend. Nicht zuletzt wegen der Leute, die man dort bestaunen konnte.
Minderjährige Mädchen mit knappsten Hot Pants, in Cowboystiefeln und reichlich ausgeschnittenen Oberteilen, die ganz offensichtlich den Gang zwischen Manegengeländer und Tribünen als Laufsteg benutzten. Und das im doch sonst so sittsamen, züchtigen Alabama ... ich würde meine Tochter nicht so aus dem Haus lassen (mein Gott, bin ich spießig ...).
Junge und nicht mehr ganz so junge Burschen mit breiten Gürtelschnallen und Cowboyhut, die Daumen lässig im Görtel verhakt und natürlich auch in Cowboystiefeln - meine Frau meinte, so viele Cowboys auf einem Haufen hat sie seit Bonanza nicht mehr gesehen ...

Und das Geschehen in der Manege? Bareback Riding, Fast Roping mit kleinen, süßen, unschuldigen Kälbchen ... und andauernd der bescheuerte Rodeo-Clown. Mal ganz interessant so etwas live zu sehen. Mehr aber auch nicht. Wir sind dann nach gut anderthalb Stunden zur Halbzeit gegangen. Das Bullenreiten haben wir uns erspart, sind lieber was essen gegangen. Nein, kein Steak ... Chicken.



Nutella Generation

Erst kam VW, dann ALDI und jetzt ... Nutella. Die nächste Generation amerikanischer Kinder wird völlig europäisiert aufwachsen ...


Das Bild zeigt einen Auszug aus der Speisekarte des International House of Pancakes (IHOP), in dem wir gestern seit langem einmal wieder gegessen haben.
Nutella selbst gibt es hier schon seit einiger Zeit zu kaufen - wobei der Geschmack nicht hundertprozentig dem deutschen Produkt entspricht, wie unser familieneigener Experte glaubhaft versichert, sondern ein wenig süßer zu sein scheint.
Und heute habe ich dann zum ersten Mal eine Nutella-Werbung im TV gesehen. Dort wird es als gesunde Alternative (zu dem chemisch verunreinigten US-Kram ...) angepriesen, ohne Farbstoffe, Konservierungsmittel und sonstige schlimmen Sachen.
Der Siegeszug hat also begonnen ... und ich konnte Zeuge dieses historischen Momentes sein. Mir kommen gleich die Tränen ...

Friday, August 14, 2009

Banned in Bama

Nein, wir leben hier nicht hinterm Mond, wir leben hier im "Bibel Belt". Nur so sind einige Sachen zu erklären ... oder auch nicht. Alabama ist halt anders.

Da gibt es eine Winzerei in Kalifornien, die vertreibt ihren Wein unter der Marke "Cycles Gladiator". Das war mal so um 1900 herum eine französische Fahrradmarke.
Und die warb mit einem Poster für ihre Drahtesel, das George Massias im Stile der Belle Epoque gemalt hatte.
Dieses Poster ziert nun die Flaschen der Weinfirma, die damit den Eindruck erwecken will dass ihr Produkt irgendwie europäisch, stilvoll und "fashionable" ist.
Nun gut. Sollen sie.
Aber nicht hier in Alabama! Die Dame auf dem Poster ist ja ... unbekleidet! Sozusagen nackig - das geht ja nun gar nicht!


Die heilige Inqui ... ahem, die Wächter der öffentlichen Sitten, das Alabama Alcoholic Beverage Control Board, hat den Verkauf des Weines in Alabama verboten. Wegen pornografischer Darstellung auf dem Etikett. Wegen einer 104 Jahre alten französichen Nymphe.
Und die Weinfirma? Die findet das alles ganz toll - die 300 Flaschen die sie pro Jahr jetzt nicht mehr in Alabama verkaufen tun nicht wirklich weh - und bewirbt ihren Fusel nun in den restlichen 49 Staaten mit dem Slogan: "Banned in Bama". Und hat reißenden Absatz damit.
Und wir Alabamians stehen wieder einmal da wie die Mondkälber ...

Ram 3500

Nun gibt es also auch hier eine Abwrackprämie - "Cash for Clunkers" heißt das Programm im Volksmund (also so etwa: Bares for Schrott), und "Car Allowance Rebate System", abgekürzt CARS ( ... wie clever ...) im offiziellen Sprachgebrauch.
Funktionieren tut es ähnlich wie in Deutschland - man bringt seinen alten Spritschlucker zum Händler, kauft ein Auto mit besserem Verbrauch und bekommt, je nach Differenz zum Spritverbrauch des Altwagens, $3500 oder $4500 Zuschuß zum Neuwagen von der Regierung.
Klasse Sache. Nur haben die Genies in Washington irgendwie übersehen, dass die meisten Klein- und Mittelklassewagen die diesen Deal wegen des niedrigen Benzinverbrauchs erst interessant machen, eher aus Fernost als aus Detroit stammen. GM und Chrysler gucken also wieder mal in die Röhre ... (siehe ganz unten!)

Aber halt, nicht so schnell. Immerhin gibt es ja noch genug Patrioten, die das Recht auf Ressourcenverschwendung weiterhin für gottgegeben halten (dies ist schließlich immer noch God's own Country, oder??!) und sich um solche halbkommunistischen Spielereien wie Umweltschutz, Recycling oder Energiesparen einen feuchten Kehricht kümmern. Da kann das liberale Weichei im Weißen Haus noch so gutmenschlich daherkommen und versuchen die Welt zu retten - das soll er gefälligst bei seiner intellektuellen Clique in Washington machen, hier weht jedenfalls ein anderer Wind.

Und der trägt schwere Abgasschwaden über die Straße. Und den gluckernden, stampfenden Sound von Achtzylindermotoren. Und den Klang von Dollarmünzen, die durch den Auspuff gejagt werden.
God bless America!

Das jedenfalls steht unter der amerikanischen Flagge auf dem Hinterteil des doppelbereiften Wahnsinns, der heute vor mir an der Ampel stand.
Ein Dodge Ram 3500 4x4 Heavy Duty.
6,7 Liter Maschine, 350 PS. Der Verbrauch wird auf der Dodge-Website mit "nicht verfügbar" angegeben ... dürfte aber so bei fünf bis sechs Litern liegen ... pro Kilometer.
Das kleinere Modell, der 2500, hat nur einen 5,7 Liter Motor, dafür aber mit 383 PS.
Und das Standardmodell, der 1500, ist sogar mit 3,7 Liter Motor zu haben - und für den gibt es sogar Verbrauchswerte: schlappe 17 Liter pro 100 km.
Aber wer will den schon haben - das ist ja was für Sissys, richtige Kerle fahren den 3500-Monstertruck ...

Und damit wir uns richtig verstehen: das ist hier durchaus kein seltener Gast im Straßenbild (obwohl die kleineren Brüder 2500 und vor allem 1500 natürlich zahlreicher sind - immerhin kostet ein 3500 gute $45000, und dafür kann man sich schon fast zwei 1500er kaufen ... allerdings nur in der kleinsten Motorisierung, und wer will schon so ein Sissy-Auto fahren ...) und wird auch nicht als Lastkraftwagen angesehen, sondern mit seinen gut drei Tonnen Lebendgewicht immer noch als Personenkraftwagen.
Aber obwohl mittlerweile hier die Gallone Sprit für ungefähr $2,60 zu haben ist, kostet damit eine Tankfüllung für den 3500 umgerechnet auch nur gut €60 - geradezu lachhaft im Vergleich zu Deutschland. Dort würde man rund €100 mehr an der Tanke lassen ...
Ein Umdenken kann hier also noch gar nicht stattfinden - dazu ist die Schmerzgrenze wohl noch in zu weiter Ferne.

Da hilft dann auch ein auf die Förderung von umweltschonenderen Autos abzielendes Regierungsprogramm nichts (ja gut, die japanische Wirtschaft soll damit auch noch angekurbelt werden ...) - denn wer würde schon freiwillig die große Freiheit gegen eine fernöstliche Spaßbremse im Schuhkastenformat eintauschen?
Hmm, ich, im europäischen Umweltbewußtsein geschult, würde das glatt tun. Aber mein Clunker ist leider nicht qualifiziert für das Programm - mit rund 12 Litern pro Hundert Kilometer verbraucht er gut einen Liter zu wenig ...


Ganz unten ...
Nachtrag zum "Cash for Clunkers" Programm, das am 28. August 2009 ausgelaufen ist. Am gleichen Tag berichtete die Zeitung USA Today vom Ergebnis. Danach waren die drei meistverkauften Neuwagen Toyota Corolla, Honda Civic und Toyota Camry. Die drei meistverschrotteten Autos waren Ford Explorer, Ford F-150 Pickup und Jeep Grand Cherokee. Also lautet das Resultat des Programmes in einem Satz zusammen gefasst: Tausche Ami-Spritschlucker gegen Japan-Benzinsparer ... hab ich doch gesagt, oder?!

Wednesday, August 5, 2009

Eat, Sleep, Carve

Ich wollte schon immer wissen, wie Holzschnitzen geht. Einfach einen Stock aus dem Wald mitbringen und eine Figur daraus schnitzen.
Nun ja, das habe ich nicht gerade gelernt in der Alabama Folk School am letzten Wochenende - dafür aber eine Technik, die man "Relief Schnitzerei" nennt.
Das ist im Grunde ein Schnitzwerk mit mehreren Ebenen - nicht ganz 3-D, sondern mehr wie ein 2 1/2-D Gemälde mit dicken Farbschichten, aber eben aus Holz geschnitten.

Unser Lehrer war Dylan Goodson,ein junger Mann der sich diese Technik vor gut neun Jahren selber beigebracht hat und nun davon lebt.
Mit mir waren noch Helen und Angela dabei - wir hatten jede Menge Spaß und haben viel gelernt.


Dies ist mein Projekt gewesen - eine alte Scheune mit einem Silo und ein paar Büschen daneben. Nicht allzu kompliziert oder aufwändig - aber ich wollte fertig werden in den drei Tagen die uns zur Verfügung standen, um etwas handfestes mit nach Hause bringen zu können.
Das Holz ist Linde, was sich wegen seiner relativ weichen Beschaffenheit exzellent mit Schnitzwerkzeugen traktieren läßt.



Man kann natürlich die größten Zwischenräume mit Maschinenkraft ausräumen - aber ich wollte alles von Hand machen und so hatte ich die ersten paar Stunden gut damit zu tun in die Tiefe zu schnitzen. Hat mich an meine Dreher-Lehre erinnert, wo wir die erste Woche mit der Schrupp-Feile ein U-Eisen abfeilen mußten ...
Als ich damit fertig war ging es dann an die Ausformung der Gebäude. Am frustrierensten war die Rundung des Turmes - aber auch die perspektivisch korrekte Stellung des Scheunendaches war nicht ohne.



Gute zwanzig Arbeitsstunden später - die Schnitzerei ist beendet.
Die Scheune besteht aus vertikalen, horizontalen und diagonalen Brettern, denen ein verwittertes Aussehen gegeben wurde.
Das Silo ist aus Feldsteinen ( ... hmm, so eines habe ich in Natura noch nie gesehen ... mir gefiel aber das Aussehen und außerdem wollte ich mehrere verschiedene Techniken üben ...) mit einem Dach aus Holzschindeln. Rechts sind ein paar Büsche zur Zierde.
Man könnte es so lassen, eine einfache braune Lasur darüber ziehen um die Einzelheiten besser sichtbar zu machen - oder man kann es bemalen und dem Ganzen damit eine zusätzliche Dimension geben ...



... gesagt, getan. Eine weitere Stunde Arbeit mit Ölfarben und fertig ist die ... Scheune.
Für den ersten Versuch mit der ganzen Schnitzerei gar nicht einmal so übel, finde ich. Und alles selbst von Hand gemacht - darauf bin ich schon ein wenig stolz.


Alabama Folk School

Es gibt hier eine Institution, die nennt sich Alabama Folk School.
Dort kann man in halbwöchigen Kursen althergebrachtes Kunsthandwerk und Kulturgut lernen - vom appalachischen Besenbinden über Holzschnitzen bis hin zu Square Dance, Quilten und Dulcimer spielen.
Das Kursprogramm orientiert sich vorwiegend an alten Traditionen aus dem Süden, die dadurch am Leben erhalten und weiter gegeben werden sollen. Und natürlich sind auch immer ein paar Standardkurse mit dabei - der Töpferkurs mit seinen gut ein Dutzend Teilnehmern hat wahrscheinlich die anderen, mehr traditionellen Kurse mit nur ein paar wenigen Teilnehmern mit bezahlt ...
Stattfinden tut das Ganze in einem kirchlichen Feriencamp mitten im Herzen von Alabama, ungefähr zwei Stunden südwestlich von Huntsville. Sozusagen in der Pampa. Aber sowas von ... doch davon später mehr.



Man (er)lernt dort also traditionelles (Kunst)Handwerk und Kulturgut, und lernt nebenbei noch Land und Leute mit ihren Traditionen, Denkweisen und Lebenseinstellungen kennen - sozusagen als Teilnehmer von innen heraus und nicht nur als Zuschauer von außen.

Meine Frau war bereits im Februar dort und war begeistert. Sie hatte einen Schnupper-Kurs belegt, der an jedem Tag etwas anderes bot - Tanzen, Quilten, traditionellen Holzbau, Banjo spielen ...
Und am vergangenen Wochenende war ich nun an der Reihe.
Hier eine kleine Auswahl der (Kunst)Stücke aus den einzelnen Kursen ... meine Arbeit ist im nächsten Posting etwas näher beschrieben ...


Mosaic Inlay



Pottery



Glass Bead Making


Relief Carving