Wieder so ein Ding unter dem Titel "Nur in Amerika ...". Jedes Jahr am ersten Wochenende im Mai findet auf dem Hauptfriedhof von Huntsville, Maple Hill Cemetery, der sogenannte "Cemetery Stroll" statt. Die Toten steigen aus ihren Gräbern und erzählen ihre Geschichte - da gibt es Weltkriegssoldaten, die nach einer langen Odyssee endlich die letzte Ruhestätte in heimischer Erde gefunden haben, die erste Lehrerin in Alabama, einen General aus dem Unabhängigkeitskrieg, das elfjährige Mädchen, das mit ihren zwei Geschwistern hier begraben liegt, eine Frau, von der es heißt ihr Geist spuke immer noch herum, eine prominente Bordellbesitzerin, Gestalten aus dem Bürgerkrieg, Kuriositäten, wie der Mann der seiner preisgekrönten Kuh zuehren eine legendäre wilde Party gab, die preisgekrönte Kuh, namens "Lilly FLagg", Schriftsteller, Suffragetten, Kongressabgeordnete, Präsidentschaftskandidaten, lokale Persönlichkeiten und einfache Bürger.
Für zweineinhalb Stunden stehen diese Leute an den Gräbern und erzählen, in historischen Kostümen, die Geschichte der dort begrabenen. Untermalt wird das ganze von mehreren Musikgruppen, die alte Südstaatenlieder spielen. Und so um die dreitausend Besucher kommen jedes Jahr um sich das Spektakel anzusehen.
Die turnen dann munter auf den Gräbern herum, laufen überall drüber und keiner hat was dagegen. Nun sind die amerikanischen Grabstellen ja auch nicht, wie in Deutschland, als kleine Schrebergärten angelegt. Hier gibt es einen Grabstein und jede Menge Gras drumherum. Und die Störung der Totenruhe? Es hat ja einen Sinn und Zweck und dient einer guten Sache - die Toten wären bestimmt dafür, könnte man sie noch fragen.
Es wird also, wie üblich, pragmatisch und locker gesehen. Und das ist schon eine tolle Sache, wenn man auf diese - sehr unterhaltsame - Weise etwas über die Geschichte der Stadt und über die Menschen, die diese Geschichte gemacht haben, erfahren kann. "Infotainment" ist der Neumodische Begriff dafür. Ich würde es eher "Geschichte zum Anfassen" nennen. Leider ist es in den zweieinhalb Stunden natürlich nicht möglich, auf dem weitverzweigten Gelände alle 73 Stationen anzulaufen. Also werden wir wohl nächstes Jahr wieder hingehen.
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