Saturday, August 22, 2009

Deep in the Heart of Dixie



Der US Highway 278 verläuft von Georgia kommend mitten in Alabama von Ost nach West. Eine Teilstrecke führt über 50 Meilen von Cullman nach Natural Bridge.
Diese Gegend kann man mit Fug und Recht als das Herz des Dixielandes bezeichnen.

Mehr Provinz geht nicht. Wenn auf diesen 50 Meilen während des größten Teils der Strecke keine Handy-Verbindung zu bekommen ist, kein McDonalds oder sonstiger Fast Food Joint existiert und einem zwischen 8 und 9 Uhr abends auf der Fahrt von Double Springs nach Cullman über gut 40 Meilen gerade mal ebensoviele Autos entgegen kommen - und vor und hinter einem kein einziges Auto in die gleiche Richtung zu fahren scheint - ist man im Zentrum der Südstaaten angekommen. Nicht, dass hier die Zeit stillstehen würde - sie hat nur keine Bedeutung mehr.

Nichts ändert sich hier jemals. Und wieso auch? Das Streben nach Fortschritt, die Suche nach neuen Horizonten, die Sehnsucht nach der Welt jenseits der grünen Berge - was ist das schon gegen ein Stück Heimat, das man kennt wie seine Westentasche, die Freunde, an deren Leben man vom Kindergarten bis zur Bahre Anteil nimmt, das Gefühl von Sicherheit, wenn die BBQ Sauce im örtlichen Diner immer gleich schmecken wird, auch wenn vielleicht die Besitzer mit den Jahren immer mal wechseln.
Man ist zufrieden mit dem was man hat und stolz, dass man nicht mehr braucht. Sollen die anderen machen was sie wollen, entlang US Highway 278 mißt man das Dasein mit eigenen Maßstäben.

Eindrücke von einer Reise ins Hinterland der Zivilisation ...

1. Gott, Familie und Flagge.
Betet ohne Unterlaß und Amerika wird aus diesem bedauernswerten Zustand, in dem es sich gegenwärtig befindet, errettet werden ... es ist noch nicht zu spät für eure Erlösung!





2. Die morbide Schönheit des Vergangenen
Man muß manchmal schon genau hinsehen, um verfallenes, noch bewohntes von verfallenem, unbewohntem zu unterscheiden. Ich habe mich (diesmal) noch zurückgehalten und mich auf die aufgegebenen Bauten konzentriert. Aber auf meiner Liste für den nächsten Besuch stehen einige Gebäude, bei denen man nicht glauben will, das darin tatsächlich noch Leute wohnen ...







3. Provinz as Provinz can be ...
Double Springs, Alabama. Verwaltungssitz von Winston County, Alabama. Hier tobt das Leben, hier tanzt der Bär.
Hier wird am Sonntag Abend nach der Kirche im Jack's (Filiale 178) eingekehrt um bei Burgers and Fries Jesus hoch leben zu lassen und über die bevorstehende High School Football Saison zu diskutieren. Ernsthaft, ich war dabei. Saß ganz friedlich da und mümmelte an meinem Burger, als am Nebentisch plötzlich eine Kirchenhymne angestimmt wurde. Ab und zu war dann auch von anderen Tischen ein "Jesus is the Lord" oder ähnliches zu hören, dem alle anderen Anwesenden fröhlich zustimmten. Alles sehr bizarr und irgendwie surreal.


Aber was soll man in Double Springs schon groß anderes tun? Gute tausend Einwohner, eine Tankstelle, ein Jack's (Filiale 178), ein Dollar General, ein Subway's.
Die örtliche Jugend trifft sich am Wochenede (nach dem Kirchgang) auf dem Parkplatz eines der oben genannten Etablissements und tut ... keine Ahnung, was die tun. Abhängen, Sprüche klopfen, die bevorstehende High School Football Saison diskutieren wahrscheinlich.
Im übrigen ist die Gegend so weiß wie frisch gebleichte Wäsche. Der Anteil der afro-amerikanischen Bevölkerung in Double Springs gigantische 0,3 %. Das sind umgerechnet auf die Einwohnerzahl ganze 3 Personen. Im alabamischen Durchschnitt sind es runde 30 % ...





4. Blau gegen Grau
Der Bürgerkrieg ist hier im Süden immer noch überall präsent. Nicht nur durch entsprechende Statuen auf öffentlichen Plätzen, Civil war Reenactments am Wochenende oder Gedanktafeln an den Straßen.
Auch unterschwellig, in den Köpfen der Leute, spukt er auch nach fast 150 Jahren noch herum.
Mehr als einmal habe ich statt Bürgerkrieg den Ausdruck "The war of nothern aggression" als Bezeichnung gehört - der Angriffskrieg des Nordens.
Als ich das erstemal durch Double Springs fuhr, fiel mir auf dem Rathausplatz eine Statue auf, die zwei Flaggen zeigte - die Stars and Stripes der United States of America und die Kriegsflagge der ehemaligen Confederate States of America.
Es ist alleine schon ungewöhnlich die Südstaaten-Kriegsflagge an einem offiziellen Denkmal zu sehen - das war lange Zeit weder politisch korrekt, noch hätten es die schwarzen Bürgerrechtsvereine tatenlos hingenommen.
Aber hier flatterten die beiden ehemals feindlichen Flaggen einträchtig an der Skulptur eines Bürgerkriegssoldaten im Wind, was merkwürdig war und meine Neugier weckte.


Was es damit auf sich hatte, wurde auf der Tafel am Sockel des Denkmals erklärt.
Im Bürgerkrieg kämpften nämlich 112 junge Burschen aus Winston County auf Seiten der Südstaaten - und 239 auf der der Nordstaaten. Die Gründe werden leider nicht erklärt.



5. Merkwürdigkeiten und Bemerkenswertes
Amerikas Straßenränder sind der Hort alles Skurrilen, Bizarren und Aussergewöhnlichen. Leider bin ich nicht dazu gekommen, die Elefanten zu fotografieren, die auf Säulen neben der Einfahrt eines Herrenhauses an der 278 zu sehen sind. Oder das Loch mit den Schrottautos. Oder die Friedhof der Wohnmobile ... das steht alles auf der Liste für ein anderes Mal.
Aber auch so hat es schon gereicht - ich habe immerhin den Sommerwohnsitz des Weihnachtsmannes gesehen, einen Jeep als Werbezeichen auf einem Pfahl und den Melonenstand, zu dem man einfach hinfährt, sich nimmt was man will und soviel Geld dort liegen läßt, wie man meint dass es angebracht sei.


6. Alabama the Beautiful
Und dann ist da noch die Schönheit des Landes. Naturbelassene Flüsse, überdachte Holzbrücken, ein Sonnenuntergang über einem Kornfeld mit einem Silo drin ... man muß nur die Augen auf machen und das Land in sein Herz lassen.




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