Meine Frau und ich besuchen ja nun sehr viele BBQ Restaurants und dort haben wir immer wieder die Gelegenheit mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen.Es ist einfach die allgemeine Atmosphäre in diesen Schuppen, die sehr zuträglich für das Anknüpfen von Kontakten ist. Es ist ein bisschen so wie in Deutschland ein Kneipenbesuch - nach ein, zwei Bier lockern sich die Zungen. Und hier ist es eben das pulled pork, was diese Wirkung hat. Die Gespräche fangen meist damit an, dass wir gefragt werden, woher wir denn kämen. Da wir uns beim Essen immer auf Deutsch miteinander unterhalten, werden die Leute halt neugierig. So viele ausländische Touristen hat die Gegend ja nicht und die wenigen, die hierher kommen, sind normalerweise nicht in den BBQ-Schuppen auf dem Land anzutreffen.
Vor zwei Wochen waren wir in Trinity im Dirt Road BBQ, wo uns die Bedienung ihre Lebensgeschichte erzählte, angefangen von ihrer Geburt in Deutschland bis hin zu den tollen deutschen Rezepten ihrer Tante in Minnesota oder so. Wir erfahren bei solchen Unterhaltungen immer weitaus mehr als wir selbst von uns preisgeben - muss wohl an der vornehmen deutschen Zurückhaltung liegen. Wir lassen unsere Gegenüber halt reden, die haben sowieso die weitaus interessanteren Geschichten zu erzählen. Es ist mittlerweile quasi eine private anthropologische Feldstudie daraus geworden.
Heute waren wir also in einem weiteren BBQ Restaurant - dem achtundzwanzigsten seit Beginn unserer Reise durch die örtliche BBQ-Landschaft.
Das Harvest Time BBQ im kleinen Örtchen Harvest, ungefähr zehn Kilometer nördlich von Huntsville, wurde erst im Oktober letzten Jahres eröffnet. Es liegt verkehrsgünstig an einer der vielen Einfallstrassen in die Huntsville/Madison Region und die nächsten Konkurrenzunternehmen sind in allen Richtungen gute sieben bis acht Meilen entfernt.
Die Besitzer sind ein sehr nettes Ehepaar, das eigentlich schon in Rente war. Sie hatten bis dahin nie etwas mit dem Restaurant-Business zu tun gehabt, brachten aber durchaus einige Qualifikationen mit. Er war Unternehmer in einem anderen Geschäftsfeld, also wusste er wie man so einen Laden grundsätzlich aufzieht. Ihm war die Örtlichkeit am wichtigsten - Einfallstrasse, viele Kirchen drumherum, die Konkurrenz weit entfernt - das Grundgeschäft war damit quasi garantiert, sofern das Produkt gut ist.
Seine bisherige Erfahrung mit BBQ war typisch für diese Region - er hatte das jahrzehntelang zuhause für die Familie gemacht. Ein Restaurantbetrieb ist natürlich eine ganz andere Größenordnung - aber durch seine methodische und überlegte Art an Dinge heran zu gehen, fiel die Umgewöhnung nicht besonders schwer. Tatsächlich war der Kern der neuen Tätigkeit, das räuchern (smoken) von Fleisch, sogar einfacher als zuhause. Der neue Ofen mit einer Kapazität von 72 Schweineschinken hat nämlich eine elektronische Temperaturregelung - sein alter Smoker im Garten musste ständig von Hand nachreguliert werden, was bei Räucherzeiten von bis zu zwanzig Stunden schon echt nervig werden kann.
In seinem Restaurant aber packt er das Fleisch nach Feierabend einfach auf den Rost, tut Holz hinein, stellt die Garzeit- und Temperatur ein und geht nach Hause.
Eine Besonderheit ist, dass er zum Räuchern Pecan-Holz benutzt. Normalerweise wird hier Hickory oder Mesquite verwendet, auch schon mal Eiche oder Ahorn. Angefangen hat er mit dem Pecan-Holz einfach aus Bequemlichkeit - in seinem Garten stehen zwei Pecan-Bäume und so musste er kein Holz extra einkaufen. Das war ausreichend für seine Familien-BBQs, die Kapazität der beiden Bäume langte jedoch nicht für seinen Restaurantbetrieb. Zum Glück fand er bald einen Holzhändler, der ihn regelmäßig mit den notwendigen Mengen versorgen kann.
Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die Wahl des Holzes eine zentrale Rolle beim BBQen spielt. Hickory und Mesquite geben dem Fleisch einen sehr "bissigen" Rauchgeschmack, während man mit Pecan ein weitaus milderes und runderes Aroma erreicht. Das pulled pork, das ich dort heute gegessen habe und das Hühnchen das meine Frau hatte, waren das beste BBQ Fleisch, was wir je hatten. Der Mann - er trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Pork Dork" - versteht etwas vom BBQen.
Und seine Frau, Sue, versteht etwas vom Kochen. Während ihr Mann für das Fleisch zuständig ist, bereitet sie in der Küche die Beilagen und Desserts zu. Ihr Kartoffelsalat gehört mit zu den besten, die ich je gegessen habe und auch ihre gebackenen Bohnen sind einfach Spitzenklasse. Alles ist frisch zubereitet und qualitativ hochwertig.
In einigen anderen BBQ Restaurants bekommt man hingegen Salat und Bohnen aus der Dose und minderwertiges Fleisch vorgesetzt. Harvest Time BBQ hingegen hat erst kürzlich ihren ersten Fleischlieferanten gefeuert, weil der ihre Beschwerden hinsichtlich schwankender Qualität nicht ernst genommen hatte.
Auch dass sie zum Kochen (und für den Sweet Tea, was viel wichtiger ist) nur zweimal osmotisch gefiltertes Wasser nehmen spricht für sie. Das Leitungswasser hier ist, anders als in Deutschland, weit entfernt davon Trinkwasserqualität zu haben. Um es wenigstens einigermaßen brauchbar zu machen werden alle möglichen Fluoride, Chlor und andere Chemikalien beigemischt. Zu Hause filtern wir auch unser Kochwasser, damit wir uns nicht langfristig vergiften. Und jetzt haben wir endlich einen Fressschuppen gefunden, der das genauso ernst nimmt - und dazu noch ein Killer-BBQ liefert.
Das einzige Problem ist, dass der Laden jetzt schon viel zu klein ist. Gerade mal zehn Leute finden in dem winzigen Vorraum an einem Tisch und einem Counter an der Wand Platz. Zunächst war noch nicht einmal das geplant, es sollte ein reiner Drive-Inn Betrieb werden. Doch dann entschloss man sich, doch ein paar Sitzplätze zu schaffen - was dazu führte, dass nun auch noch eine Toilette eingebaut werden musste. Da das ganze Gebäude in Eigenarbeit aufgebaut wurde, und man unbedingt im selbst gesetzten Budget bleiben wollte, verzögerte sich die Eröffnung entsprechend.
Aber nun ist der Betrieb, nach einigen Anfangsproblemen, etabliert und am Laufen und bekommt - zurecht - großartige Kritiken landauf und landab.
Und wieso haben die beiden das nun gemacht? Immerhin hatten sie ein komfortables Rentnerleben vor sich und hätten es eigentlich gar nicht nötig gehabt wieder ins Berufsleben einzusteigen.
Ihr Sohn arbeitet seit vierundzwanzig Jahren in der großen BP Polyester Fabrik in Decatur. Er hat sich lange Zeit dagegen gewehrt zum Vormann gemacht zu werden aber seit gut vier Jahren macht er diesen Job nun doch. Und "sie arbeiten ihn zu Tode", wie sein Vater sagt.
Deshalb haben sie das BBQ Restaurant in Harvest eröffnet. BBQ geht hier immer, wie man sieht, die Kunst des smokens wird den Kindern quasi mit in die Wiege gelegt und wenn sich ein Restaurant einmal etabliert hat und einen gewissen Ruf genießt, ist es für die nächsten Jahrzehnte ein Selbstläufer. Wenn dann der Sohn einmal nicht mehr will oder kann, wenn ihm das alles zu viel wird und er die Reißleine ziehen muss, werden sie ihm den laufenden Betrieb übergeben, damit er versorgt ist und auch seine Rente aufbessern kann. Eltern ist man ein Leben lang ...
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