Friday, February 25, 2011

STS-133

Am 24. Februar 2011, um 16:53 Uhr Ortszeit, ist vom Kennedy Space Center, Launch Pad 39A, das Space Shuttle Discovery für die Mission STS-133 ins All geflogen.
Und ich war dabei.

Ein paar Kollegen und ich waren in dieser Woche für einige Besprechungen mit der Firma nach Orlando gekommen - die dann bereits am Donnerstag Mittag zu Ende waren. Und da der Startplatz nur rund 40 Meilen entfernt an der Küste liegt, war es klar dass wir uns das nicht entgehen lassen konnten.
Seit drei Jahren hatte ich immer wieder versucht Besprechungstermine in Orlando und Shuttle Starts in Einklang zu bringen. Das war aber immer wieder misslungen, weil wenn ich da war nie eines der Shuttles am geplanten Termin gestartet war. Immer kam etwas dazwischen - verstopfte Treibstoffleitungen, Kälteeinbrüche, Unwetter, Computerfehler und so weiter.
Doch diesmal hat dann endlich alles geklappt - beim drittletzten Start eines Shuttle überhaupt. Die vorletzte Gelegenheit wäre dann im April, die letzte im Juni gewesen. Danach werden die Shuttles außer Dienst gestellt und an Museen verteilt.

Angesehen haben wir uns den Start von Titusville aus, einem kleinen Ort genau gegenüber des Startgeländes. Wobei "genau gegenüber" eine recht optimistische Standortangabe ist - es sind gut 15 Meilen Wasser dazwischen. Man kommt auch näher heran, auf ungefähr die Hälfte davon, wenn man eine Eintrittskarte für den NASA Causeway, eine Straße die zum Space Center führt, hat. Theoretisch kommt man an solche Tickets durchaus heran. Praktisch aber ist das ein reines Glücksspiel und die Dinger sind in Sekundenschnelle ausverkauft.
Noch näher kommt man heran, wenn man der Gouverneur von Florida ist oder ein Hollywood-Star oder ein Zeitungsreporter. Dann lassen sie einen bis auf 5 Meilen heran. Leider kenne ich noch nicht einmal einen Gouverneur, Hollywood-Star oder Reporter.
Also haben wir, wie einige zehntausend andere Leute auch, uns in Titusville einen schönen Platz am Wasser gesucht.

Normalerweise braucht man für die 40 Meilen von Orlando zur Küste gut eine Stunde. Wir haben zweieinhalb Stunden benötigt. In Titusville angekommen war das nächste Problem einen Parkplatz zu finden. Nach einigem Suchen und hin-und herfahren war auch schließlich erledigt und wir machten uns auf den Weg zum örtlichen McDonalds um uns für die rund vier Stunden, die wir noch auf den Start warten mussten, zu stärken.
Und mit uns hatten hunderte andere Leute genau den selben Gedanken. Der Laden hat an diesem Tag das Geschäft des Monats gemacht. Allerdings wird einiges vom Profit nachher für die Wiederinstandsetzung der Toiletten drauf gegangen sein - denn diese Schlange war dreimal länger als die Schlange vor der Essensbestellung.
Nachdem wir dann den Burger intus hatten, haben wir uns ein nettes Plätzchen auf einem Steg, der ungefähr 100 m in die Bucht ragt, gesucht.
Und dort haben wir dann, in Vogelscheiße sitzend, in der Sonne bratend, mit einigen hundert anderen Verrückten stundenlang herum gesessen und auf den Start gewartet.

Und der wäre dann beinahe in vorletzter Sekunde dann doch noch abgeblasen worden. Ein Seeraumüberwachungsradar der US Navy hatte einen Computerfehler, was aus Sicherheitsgründen (es darf sich beim Start kein Wasserfahrzeug in einem bestimmten Umkreis um den Startplatz herum befinden und das muss sichergestellt und überwacht werden) einen Startabbruch eigentlich notwendig gemacht hätte.
Die Entscheidung für den Start wurde dann zwei Sekunden bevor sich das Startfenster von vier Minuten wieder geschlossen hatte, vom Startdirektor dann doch noch gegeben.
Nachdem der Start dieser Mission, der ursprünglich bereits am 01. November 2010 hätte stattfinden sollen, zwischenzeitlich fünfmal abgeblasen worden war, wollte man diesmal offensichtlich auf Biegen und Brechen eine sechste Pleite unbedingt vermeiden.

Und so hob es dann ab, das Space Shuttle Discovery, zum 39. und letzten Mal.
Es war weniger spektakulär als vielmehr majestätisch und erhaben. Das lag sicherlich auch daran, dass auf diese Entfernung der Startlärm erst mit einer guten Minute Verzögerung bei uns ankam. Außer den Schreien der Seevögel, dem Jubel der Zuschauer und dem Plätschern der Wellen vollzog sich der Start für uns in einem beinahe lautlosen Zustand.
Wie an der Schnur gezogen schoss das Shuttle in den Himmel, ein perfekter Bilderbuchstart.
Leider war es sehr dunstig und gepaart mit der doch sehr erheblichen Entfernung und der Tatsache dass meine Kameraausrüstung kein wirkliches Superteleobjektiv beinhaltet (die Bilder sind mit 450 mm Brennweite gemacht worden), sind meine Fotos nicht wirklich beeindruckend geworden - sie werden dem Erlebnis, so wie es in meiner Erinnerung besteht, jedenfalls nicht gerecht.

Aber das war auch gar nicht der Sinn und Zweck des Unternehmens. Ich kenne den NASA-Fotografen, der die ersten Shuttle-Starts vor dreißig Jahren dokumentiert hat und seine Bilder - mit erheblich mehr Aufwand und aus erheblich kürzerer Distanz aufgenommen - sind absolut unerreichbar. Meine Bilder haben also ausschließlich dokumentarischen Erinnerungswert und wenn ich richtig gute Bilder von einem Space Shuttle Start haben will, lasse ich mir von ihm welche ausdrucken (oder kaufe sie in Buchform in jeder beliebigen Buchhandlung).

Der eigentliche Sinn und Zweck liegt dreißig Jahre in der Vergangenheit.
Am 12. April 1981 startete mit der Columbia zum ersten Mal ein Space Shuttle ins All.
So wie für meine Eltern damals 1969 die Mondlandung ein Riesenereignis war, hatte dieser erste Shuttle Start für mich eine besondere Bedeutung. Als bekennender Raumfahrt-Enthusiast war es mein Ziel diese Leidenschaft später einmal zum Beruf zu machen. Der erste Start des Shuttle war daher für mich so etwas wie für andere das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft mit Deutscher Beteiligung -
das musste ich unbedingt sehen.
Ich habe es verschlafen. Und zwar nicht, weil es - wie die Mondlandung - mitten in der Nacht gewesen wäre. Nein, der Start war um die Mittagszeit und ich hatte mich nur mal kurz hin gelegt um fit zu sein für dieses epochale Ereignis. Und dann bin ich einfach eingeschlafen ... und durch den Anruf einer Freundin geweckt worden (Danke, Elke ...), die wissen wollte ob ich das eben auch so toll gefunden hätte und das sei ja ein spektakulärer Start gewesen und so etwas hätte sie ja noch nie gesehen ... (noch mal, Danke Elke ...).
Diese Schmach hat mich nun dreißig Jahre lang begleitet. Und irgendwann hatte ich mir dann gesagt, das kannst Du ja nur wieder gut machen,, wenn Du einmal live dabei bist. Damals war allerdings die Aussicht einmal in den USA zu leben, dazu noch in relativ erreichbarer Nähe zum Startplatz, oder gar Dienstreisen in die unmittelbare Umgebung zu machen, nicht im entferntesten am Horizont.
Aber wie sagt das chinesische Sprichwort: Gute Dinge kommen zu dem, der warten kann.
Und zu dem, der die Gelegenheit ergreift.
Was hiermit geschehen wäre - im x-ten Anlauf und beim drittletzt-möglichen Mal.

Wie man hier sagt - The Monkey is off my back. Ich gehe jetzt tatsächlich mit etwas leichterem Schritt durchs Leben. Nun ja, nicht gerade im Moment, mit einem ordentlichen Sonnenbrand an den Ohren und im Nacken und einer recht heftigen Müdigkeit in den Knochen - vier Stunden in der prallen Sonne warten, ohne Schatten, bei 28 Grad Celsius, danach viereinhalb Stunden nach Orlando im Stop-and-Go Verkehr zurück quälen, dann heute morgen einen unmöglich frühen Flug nach Hause gehabt, nachmittags noch ein paar Stunden im Office gearbeitet ... vor dreißig Jahren hätte ich das alles noch locker weg gesteckt. Wenn mich nicht zwischendurch die Müdigkeit übermannt hätte ...





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