Ich mag Messer. Meine favorisierte Marke ist W.R.Case, weil die immer wieder interessante Modelle heraus bringen, verschiedene Stile anbieten und Messer in den unterschiedlichsten Formen und Größe haben.
Nun kann man mittlerweile ja alles, auch Messer natürlich, über das Internet bestellen. Das ist aber nicht das Gleiche wie in einen Laden zu gehen und ein paar Messer anzufassen, bevor man sich für eines entscheidet - ein Messerkauf ist immer eine sehr persönliche Sache, vergleichbar mit einem Paar Schuhe. Die probiert man vorher auch besser an um zu sehen ob sie passen. Und auch ein Messer muss "passen" - zum persönlichen Geschmack, zum bevorzugten Outfit, zum geplanten Einsatzspektrum. Kompromisse sollte man, wie bei Schuhen, nicht machen, handelt es sich hierbei doch um eines der wenigen Accessoires, welches ein echter Mann ohne Scham tragen darf und doch ein Mode-Statement damit abgeben kann. Und ob es "passt" oder nicht muss man vor Ort erfühlen, anders geht es nicht. Harrrh, Harrrh ...
W.R.Case teilt seine Händler in verschiedenen Kategorien ein, wovon der Master Dealer die höchste ist. Ein Master Dealer hat eine besonders große Kollektion, plus er bekommt vom Werk regelmäßig Exemplare, die nicht im Katalog zu finden sind.
In ganz USA gibt es nur 22 davon, einer davon ganz hier in der Nähe in Athens (siehe blog post vom 15. Mai 2010).
Und ein anderer residiert in Florida, in einem kleinen Nest an der Golfküste, mit dem schönen Namen Land o Lakes, ungefähr dreißig Meilen nördlich von Tampa.
Im Moment bin ich ja für zwei Wochen auf Dienstreise in Orlando, Florida, und muss mir mit irgendetwas die Zeit vertreiben am Wochenende. Daher habe ich heute die Gelegenheit genutzt und bin die schlappen hundert Meilen zu Harvey's Hardware Store, Case Master Dealer, in Land o Lakes, gefahren.
Zurück gekommen bin ich mit zwei wunderschönen Exemplaren - siehe Fotos - und da gelassen habe ich auch etwas. Eine Geschichte, die sie garantiert noch ihren Enkeln erzählen werden, dort in Land o Lakes, Florida. Und die geht so:
Harvey's Hardware gibt es seit 1947 in Land o Lakes und, wenn man dem Schild am Eingang glauben darf, wird es auch Obama nicht gelingen ihn von dort zu vertreiben.
Der Laden selbst liegt an einer viel befahrenen Hauptstraße, die sicherlich vor fünfzig Jahren nur ein staubiger, unasphaltierter Trampelpfad war. Die alte, rostige Benzinpumpe von damals steht noch an einer Hausecke und auch sonst hat sich im Laden nicht viel verändert mit den Jahren.
Der Fußboden ist mit roh behauenen Brettern ausgelegt und überall stehen, liegen, hängen Kleinigkeiten, Krempel und Kuriositäten.
Zwei junge Hippies waren auf der Suche nach leichten Sonnenhüten ohne Tarnaufdruck - leider waren sie dafür hier am falschen Platz. Allerdings konnte dem Mann geholfen werden, der ein Abwehrsystem für die Eule suchte, die es sich jede Nacht auf seiner Veranda bequem machte.
Aber ich war ja wegen der Messer da - und fühlte mich im Nirvana angekommen. In einem halben Dutzend Vitrinen lagen Einzelstücke, Sonderanfertigungen, Massenware und die eine oder andere Rarität einträchtig nebeneinander. Irgendwann hatte es sicherlich einmal irgendeine Ordnung gegeben, doch war die im Laufe der Jahre, als Messer verkauft und wieder nachgefüllt wurden, abhanden gekommen. Und die neuen Herbstmodelle lagen auf Fenstersimsen und eigentlich überall dort, wo gerade ein bisschen Platz war. Ist auch nicht wirklich kriegsentscheidend, alles in Reih und Glied zu haben, so hat man mehr zu entdecken beim Suchen.
Wie ich also so herum wandere zwischen den Vitrinen, mit großen Augen und feuchten Händen, wird mir von einer freundlichen, recht rustikal aussehenden Verkäuferin mit Polohemd und Lederschürze die unausweichliche Frage gestellt ob ich denn Hilfe bräuchte. Ich bilde mir ja inzwischen ein, dass mein deutscher Akzent mittlerweile kaum noch zu registrieren ist, aber Pustekuchen, nach meiner Antwort (just looking around, if that's alright) kam dann gleich die nächste Frage, woher ich denn käme. Aus Huntsville, Alabama, antwortete ich, fest entschlossen das Stigma des Touristen, der den Unterschied zwischen einem Texas Toothpick und einem Slimline Trapper nicht kennt, um jeden Preis zu vermeiden. Wir aus Alabama kennen uns natürlich genau mit allem aus was schießt, schneidet oder sonstwie zum Zerstören von Sachen geeignet ist.
Nun ja, war ein ziemlicher Schlag ins Wasser, denn im Laufe der nächsten zwei Sätze musste ich kleinlaut zugeben, dass ich in Huntsville, Alabama, nur vorübergehend lebe und eigentlich aus Good Ole' Germany komme.
Ich bin es ja durchaus gewohnt, dass man auf uns Deutsche hier in Amiland freundlich bis zuvorkommend reagiert - aber das hier entwickelte sich nun ganz schnell zu einem kleinen Star-Auftritt - mit mir in der Hauptrolle.
Was ich denn in Huntsville, Alabama, machen würde, war die unvermeidlich nächste Frage. Und da überkam es mich dann, ich weiß nicht was mich in diesem Moment ritt, bin ich doch sonst eher der zurückhaltende Typ, der nicht gerne im Mittelpunkt steht. Ich übertrieb schamlos. Klar bin ich Ingenieur, arbeite seit gut zwanzig Jahren an Flugzeug- und Raketenprojekten, aber doch eher in einer Managementposition und ein Rocket Scientist bin ich damit noch lange nicht. Aber genau das gab ich den guten Leuten in Harvey's Hardware Store in Land o Lakes, Florida, nun zur Antwort. Worauf zunächst einmal eine durch ungläubiges Staunen hervorgerufene Gesprächspause eintrat und dann alle Leute, die sich gerade im Laden befanden, aufgeregt herbeigerufen wurden - hey guys, we have a German Rocket Scientist here!
Was hatte ich nur angerichtet - da kam ich nun nicht mehr heraus und musste das Spiel mitmachen. Jeder wollte unbedingt seine Deutschkenntnisse an mir ausprobieren, die natürlich zumeist aus unvollständigen Sätzen, vertauschten Brocken und einzelnen Phrasen (ein Bier, bittä ...) bestanden. Und natürlich waren alle schon mal in Deutschland gewesen, oder kannten zumindest jemanden der mit Elvis damals in den Fünfzigern bei der US Army in Heidelberg stationiert war.
Ich war von gut einem halben Dutzend Einheimischen umringt, inklusive der beiden Hippies und des Typen mit dem Eulenproblem, die alle auf mich einredeten und ich könnte schwören, dass zumindest einer der Hippies in einem unbeobachteten Moment den Saum meines T-Shirts berührte. Zum guten Schluss gab mir dann Harvey, der Besitzer höchst persönlich, seine Visitenkarte. Wann immer ich nun das Bedürfnis nach einem besonderen Messer habe, das ich nirgends anders bekomme, darf ich ihn anrufen, er besorgt mir das dann schon.
Und ich bin davon überzeugt, dass wenn ich nur etwas länger geblieben wäre, man mir schließlich auch noch ein Neugeborenes zur Segnung gereicht hätte.
Leider hat die Sensation meiner Anwesenheit nicht dazu geführt einen Rabatt zu bekommen. Dazu muss man dann wahrscheinlich doch ein richtiger Popstar sein und nicht ein ... nun ja, ahem, Raketenwissenschaftler. Kind of ...
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