Friday, April 29, 2011

Supplies

Ich sitze hier im Starbucks in Decatur, weil die free wireless Internet haben - noch bis 5 Uhr, dann wird auch hier der Strom abgestellt.

Ohne Strom sieht das Leben ganz schön düster aus. Keine Geschäfte offen um einzukaufen, denn nicht nur dass die kein Licht haben, auch die Kassen und die Kreditkartenmaschinen funktionieren nicht. Und natürlich schmilzt auch das Eis in den Kühltruhen, die Pizzen tauen auf und das Fleisch im Kühlregal wird schlecht. Ohne Strom funktionieren die Pumpen an den Tankstellen nicht und auch nicht die Ampeln auf den Strassen. Das Telefon ist tot und das Mobilfunknetz ist nutzlos, weil erstens einige Sendemasten von den Tornados getroffen wurden und zweitens die, die noch stehen, keinen Strom haben.
Und natürlich war niemand so richtig auf diese Situation vorbereitet. In den drei Jahren unseres Aufenthaltes hier haben wir jeden April/Mai und Oktober/November zahllose Tornado-Alarme erlebt. So viele, dass so etwas ernst zu nehmen und die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, von vielen, die sogar noch länger hier wohnen als wir, ein wenig schleifen gelassen wurde.
Batterien für Taschenlampen gehören ins Haus, Wasser, Brot, Milch, Konserven, ein mechanischer Dosenöffner (!!), ein batteriebetriebenes Radio, Feuerzeuge und vollgetankte Autos.
Nun ja, wir hatten das alles um ein oder zwei Tage ohne Strom durch zu stehen – als Deutsche gehört vorbereitet zu sein zum täglichen Ritual. Aber die Aussicht eine ganze Woche oder noch länger ohne Strom zu sein – das hatten wir uns auch nicht vorgestellt.
Also was tun?
Radio hören und darauf hoffen, dass hier irgendwo in der Nähe ein Supermarkt einen Notstromgenerator betreibt und irgendwann auf macht. Dann sofort ins Auto und (mit halbvollem Tank) los fahren.
So geschehen am Donnerstag Morgen gegen acht Uhr, als die ersten Nachrichten herein kamen, dass der Target Supermarkt auf dem University Drive auf haben würde.

Ich also los, auf die Ampellosen Strassen. Überraschenderweise kein großes Problem, weil jeder sehr vorsichtig und zivilisiert, rücksichtsvoll und in typischer Southern Manier äußerst zuvorkommend fährt. An jeder Kreuzung wird brav gewartet bis man sich per Kopfnicken oder Handzeichen über die Reihenfolge verständigt hat. Das geht sogar recht flüssig, weil wirklich keiner dabei ist der versucht sich vorzudrängeln oder seinen Weg zu erzwingen. Keine Hupe ist zu hören, keine bösen Gesten sind zu sehen – it’s the Southern Way.

Im Target dann dreitausend Leute, die Schlange zu den vier offenen Kassen (von ungefähr vierzig möglichen ... für mehr war nicht mehr Energie da; sie hatten sogar die Transportbänder an den Kassen abgeschaltet, aber wenigstens funktionierte das Bezahlen mit Kreditkarte) wickelte sich dreimal um die Innenseite des Verkaufraumes und es dauerte zweieinhalb Stunden bis man endlich bezahlen konnte.
Brot, Milch, Obst, Taschenlampen, Eis und (stilles) Wasser waren ausverkauft. Ich habe dann das Mini-Regal mit den importierten Wässern (St.Pellegrino, Perrier) abgeräumt – gut dass hier in Alabama keiner Wasser mit Kohlensäure trinkt (außer uns blöden Europäern). Dann noch ein paar Beutel Chips und Brezel, Kekse und Batterien abgegriffen. Das, und die Vorräte in unserem Haus, sollten uns über die prognostizierte Woche bringen. Zum Glück benötigen alle unsere Taschenlampen normale AA Batterien und nicht die sonst üblichen C oder D Größen, die natürlich ausverkauft waren. Das hatte ich beim Kauf damals schon beachtet, weil ich manchmal etwas weiter voraus denke als andere.
Und diese anderen schaffen es manchmal sogar nicht einmal im Angesicht der Krise vernünftig zu handeln. Vor und hinter mir in der Schlange vor der Kasse waren Väter und Mütter mit voll bepackten Einkaufswägen. Und dazwischen zwei achtzehn, neunzehn jährige Mädels, Studentinnen so wie ich mit bekommen habe, mit zwei Tüten Kartoffelchips. Wahrscheinlich mussten sie noch für eine Party einkaufen.

Da ich keine Milch und kein Obst bekommen hatte waren wir dann heute Morgen auf dem Weg zum WalMart auf dem Madison Boulevard, weil es im Radio geheißen hatte die würden um acht Uhr aufmachen. Denkste, die mussten erst noch die ganzen aufgetauten Sachen wegräumen, ehe sie Leute herein lassen konnten.
Aber die Tanke vom WalMart war auf. Also nix wie rein in die Schlange. Polizisten regelten den Verkehr und es dauerte nur gut eine halbe Stunde, bis ich den Nissan auftanken konnte. Der Preis war auch ganz normal, denn wer jetzt die Preise erhöht wird unter Anklage gestellt.
Mit dem vollen Tank ging es dann nach Athens – die waren von dem ganzen Stromausfall nur in den ersten Stunden betroffen und sämtliche Geschäfte hatten auf und waren gut bestückt mit allem, inklusive Brot, Obst und Milch. An der ersten funktionierenden Ampel bin ich vor gekommen wie Robinson Crusoe, der in die Zivilisation zurück kehrt.
Und im Publix dann - Nirvana! Alles da, nur kein Bier, das Regal war merkwürdigerweise völlig leer geräumt. Nun ja, jeder hat seine eigenen Prioritäten.

Jetzt sitze ich hier bei Lynn Layton Nissan-Chevrolet in Decatur – ich hatte einen Service Termin, der schon zweimal verschoben werden musste und da der südliche und nördliche Teil von Decatur Strom haben (nur die Stadtmitte ist tot), hatten sie geöffnet. Und freuten sich über jeden Kunden, der es trotz der widrigen Umstände doch zu ihnen geschafft hatte. Die Inspektion dauert ein wenig länger, weil nur einer der Nissan Techniker es heute zur Arbeit geschafft hat. Aber ich habe mein Netbook mit und schreibe auf was so los war hier die letzten drei Tage.
So, jetzt ist das Auto fertig – und wir müssen hier raus, weil gleich der Strom in diesem Teil von Decatur abgeschaltet wird.





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