Friday, January 20, 2012

Holy Land

Judas hat 30 Silberlinge bekommen. Heutzutage wird Jesus' Haut für 35 Dollares zu Markte getragen. Da hat sich über die letzten 2000 Jahre in diesem Bereich nicht viel Inflation ergeben - Gottes Sohn zu verkaufen ist ein ziemlich stabiles Geschäft geblieben.

Und ein sehr profitables dazu. Zumindest hier in Amiland und ganz besonders in Disney-Town - Orlando, Florida.
Dort gibt es nämlich einen extra auf das christliche Publikum ausgerichteten Themen-Park - das Holy Land Experience. Der Park (Wert im Jahre 2007: $37 Millionen) gehört zum Trinity Braodcasting Network Imperium der Familie Crouch. Die Crouches sind steinreich geworden durch allerlei Aktivitäten im Bereich des Fundamental-Christentums - unzählige Bücher, fünf eigene TV-Sender (für jede Glaubensrichtung einen ...), mehrere Megakirchen, und eben dieser Themenpark in Orlando.
Den meisten Profit machen sie durch ein System, das sich "Prosperity Gospel" nennt. Dabei wird den Zuschauern/Lesern versprochen dass Gott sie reich belohnen wird, wenn sie nur ordentlich spenden. An die "Kirche" der Familie Crouch natürlich. Eine eigene Theologie hat diese "Kirche" dabei nicht, sie ist offen für Katholiken, Protestanten, Juden und alles dazwischen. Hauptsache man spendet, denn Geld stinkt nicht und gehört auch keiner Religion alleine.


Auch im Hinblick auf die doch überwiegend dem evangelikalen Lager zuzurechnenden Kandidaten der Republikaner bei der Präsidenschaftskandiatenkür, die im Moment hier große Wellen schlägt habe ich ich mich in letzter Zeit sehr intensiv mit dem fundamentalistischen Christentum hier beschäftigt. Und da ungebremster Kapitalismus nach der Lesart dieser, hmmm, fundamentalistisch-evangelikalen Unternehmen etwas gottgefälliges ist und Profit jedem zusteht der nur kräftig betet und die Evolution für ein Märchen hält, hat es mich aus rein wissenschaftlichen Gründen interessiert, wie dieses "Heilige Land" in Natura aussieht. Eine Expedition ins finstere Herz der Ami-Christenheit, sozusagen.

Nun, zunächst einmal stehen da überall lauter mannsgroße Statuen herum, die wohl römische Legionäre darstellen sollen, meiner Meinung aber eher wie griechische Hopliten aussehen. Da hat sich wohl ein Designer im Jahrhundert vertan. Ebenfalls in großer Anzahl findet man Statuen von Engeln. Und einen Typen im Kamelkostüm, der als Wegweiser fungiert. Alle anderen Beschäftigten dort sind gekleidet wie sich Lieschen Müller - oder der Durchschnittsamerikaner - die Mode um das Jahr 1 im Nahen Osten vorstellt. Der Sarotti-Mohr trifft auf tausendundeine Nacht ...
Die Architektur im Park soll römisch wirken, denn damals, zu Jesus' Zeiten, hatte ja der Kaiser das Sagen in Palästina. Auf mich wirkte sie wie diese Großstädte in den japanischen Godzilla-Filmen, die am Ende immer in dilettantischen Nahaufnahmen vom bösen Monster zerstört wurden. Sehr glaubhaft und originalgetreu, mit viel Liebe zum Detail also.

Es gibt während des Tages mehrere Shows - aber leider hatte ich nur Zeit für eine davon. Die hatte auf den ersten Blick nichts mit Christentum zu tun, hat sie doch den Titel "Celebrate America".
Doch am Ende der von Patriotismus, Chauvinismus, Egoismus, Tränendrüsendrückismus nur so triefenden Aufführung, die eine Mischung aus Komödienstadl, Musical und Fahneneid ist, steht die ganz klare, eindeutige und überhaupt nicht verklausulierte Botschaft: Gott hat uns Amerikanern dieses Land geschenkt weil wir das auserwählte Volk sind. Amen. Und Halleluja. God save the Queen.

Dann gibt es da noch das Wachsfigurenkabinett, mit den entscheidenden Szenen aus Jesus' Leben - und siehe da, dort habe ich doch tatsächlich auch unseren Freund Judas gesehen, mitsamt seiner dreißig Silberlinge - sowie die Grotte in der Jesus vor der Auferstehung gelegen hat. Leider war der Garten Eden wegen Renovierung geschlossen. Aber das große Modell von Jerusalem aus dem Jahre 66 (... dem Jahr als die Römer den Tempel zerstört haben .. nicht unbedingt ein integraler Bestandteil des neuen Testaments aber für die Juden unter uns ein recht wichtiges Datum ...) ist auch schon recht interessant.

Da ich meinen Flieger nicht verpassen wollte, blieb mir leider keine Zeit mehr für die christliche Karaoke, die viertgrößte Sammlung von alten Bibeln in der Welt, und die Live-Kreuzigung um 14:30 Uhr. Aber dafür hatte ich die Gelegenheit mit Jesus das Abendmahl zu feiern. "Dies ist mein Leib ..." intonierte der - garantiert ordentlich ordinierte Schauspieler, der seine Rolle als Gottes Sohn in die Richtung eines 1968er Hippies angelegt hatte - und ermutigte die Anwesenden, von denen zwölf vor ihm an an einer Art Theke saßen, ein Stück Cracker zu essen und ein wönziges Schlöckchen roter Flüssigkeit zu sich zu nehmen, denn das sei ja nun einmal "... mein Blut".
Selbstredend habe ich während dieser Zeremonie, die im übrigen alle fünfzehn Minuten statt findet, meine Baseball-Cap nicht abgenommen. Ich dachte mir, das würde wenigstens ein Minimum an Schutz geben, wenn da gleich der Blitz einschlagen würde. Tat er aber nicht - Gott ist entweder sehr tolerant oder mit einem, hmmm, göttliche Humor gesegnet. Ich fand das Ganze nicht so spaßig, habe voller Abscheu die, nennen wir sie mal "Hostien" im Mülleimer entsorgt und mich gefragt ob es wirklich notwendig ist den Profit durch Blasphemie zu maximieren.

Zum Abschluss war ich dann noch in einem der vielen Gift-Shops und habe für meine Kiddies ein Plüschkamel gekauft und für meine Frau eine Flasche gesegnetes Salbungs-Öl aus dem echten heiligen Land, also Israel sozusagen, gekauft. Auf der Packung wird versprochen, dass dieses Elixier gegen allerlei Krankheiten und Unbefindlichkeiten hilft und da es auch noch eine nett aussehende Flasche ist und meine Frau sich zur Zeit mit einigen Sportverletzungen herum plagt, dachte ich mir für acht Dollares ist das ein richtig guter Deal. Die Frage dabei ist nur, ob das auch als Spende gilt - ich warte mal ein paar Tage, vielleicht gewinne ich jetzt ja im Lotto ...




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