Bockende Broncos, durchdrehende Bullen, Clowns, Cowgirls in Satin-Blusen mit Glitzersteinen ... das ist Hollywood Rodeo, auf Show getrimmt als Zirkusnummer für das Publikum.
Das war nicht immer so, denn als nach dem US Bürgerkrieg in den 1870er Jahren die ersten öffentlichen Rodeo-Veranstaltungen durchgeführt wurden war es noch exotisch genug dem Publikum die normalen Praktiken und Fähigkeiten vorzuführen, die ein Cowboy im Arbeitsalltag beherrschen musste.
Daraus entwickelte sich dann ein freundlicher Wettbewerb und schließlich ein eigenständiger Sport. Mit der Zeit aber, insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg, kamen dann immer mehr übertriebene Show-Elemente hinzu und das Ganze wurde zu einer Zirkusveranstaltung.
Natürlich wird Rodeo auch heute noch als Sport betrieben, mit Weltmeisterschaften und Ranglisten und ordentlich viel Preisgeld zu gewinnen. Doch steht auch hier eher der Show-Effekt im Mittelpunkt, inklusive Star-Kult um die Reiter, Merchandising und durchorganisierten Medienpräsenzen.
Aber nicht alle, die ihr Herz an den Wilden Westen verloren haben, mögen diese Entwicklung. Und so gibt es seit einigen Jahren eine Gegenbewegung dazu, das sogenannte Ranch Rodeo.
Es ist quasi eine "Zurück-zu-den-Wurzeln" Bewegung, die den ursprünglichen Rodeo-Gedanken wieder aufleben lässt - nämlich einen Wettbewerb unter Cowboys/girls durchzuführen, der sich möglichst nah an den Realitäten des täglichen Ranch-Lebens orientiert. Echte Ranches findet man auch nicht nur im Westen der USA, sondern sie hat es immer auch schon in den Südstaaten gegeben, allerdings unter etwas anderen Bedingungen. Hier hat man es halt weniger mit dem Einreiten von wilden Pferden oder dem Zähmen von störrischen Bullen zu tun, sondern mit so profanen Arbeiten wie dem Melken von Kühen oder dem Aussortieren bestimmter Tiere aus einer Stierherde.
Und so gibt es beim Südstaaten-Ranch Rodeo vier Wettkämpfe, die auf den ersten Blick erstmal langweilig und wenig spektakulär aussehen, tatsächlich aber sehr interessant und unterhaltsam sind.
Es treten immer vier Cowboys/girls als Team an, denn nur so lassen sich die verschiedenen Aufgaben überhaupt erledigen. Die Teams haben zwei Minuten Zeit jeden Wettbewerb durchzuführen.
Publikumsfavorit ist das Wild Cow Milking. Dabei wird eine Kuh vom Pferd aus mit dem Lasso eingefangen, sie wird gemolken (ein paar Tropfen reichen aus um in die Wertung zu kommen ...) und dann rennt einer der Cowboys (in seinen nicht gerade für's schnelle Laufen konstruierten Western-Stiefeln ...) mit einer Milchflasche quer über den Platz zu einer Milchkanne.
Auch sehr beliebt ist der Loading Wettkampf. Das Team muss aus einer Herde Stiere einen bestimmten (die Nummer wird unmittelbar vor Beginn des jeweiligen Durchgangs ausgelost) mit dem Lasso einfangen, ihn in einen Trailer verfrachten, das innere Tor schließen, noch ein Pferd hinein bugsieren und dann das Außentor zu machen. Die schnellsten schaffen das in einer guten halben Minute - aber nur wenn der Stier kooperativ ist. Heute Abend war einer dabei, der immer wieder ausgelost wurde und das nach kurzer Zeit gar nicht mehr lustig fand. Ein paar Cowboys landeten da unsanft auf ihrem Hosenboden und ein oder zwei wurden auch recht spektakulär durch die Luft gewirbelt.
Weniger aufregend ist das der Branding Wettbewerb, bei dem ein Stier eingefangen, auf den Boden gelegt und simuliert gebrandmarkt wird.
Und auch das Sorting ist zunächst einmal mit relativ wenig Action ausgestattet. Hier müssen die einzelnen Tiere einer zehnköpfigen Stierherde in nummerischer Reihenfolge (sie alle haben Halsbänder mit Nummern an) über eine Linie getrieben werden. das hört sich einfach an, ist es aber nicht, denn erstens bleiben die Viecher immer eng zusammen, zweitens geraten sie unter Stress leicht in Panik und rennen unkontrolliert überall hin und drittens zieht es die Stiere, die man bereits über die Linie getrieben hat unweigerlich zurück zur Herde. Es ist eine Mischung aus Katz-und Maus Spiel und Football und nach einer Weile äußerst unterhaltsam und spannend, wenn man erstmal die Feinheiten verstanden hat.
Natürlich ist das Ganze eine ziemliche Nischenveranstaltung, die zudem auch lokal recht begrenzt ist.
In Ardmore, Alabama gibt es eine, nun ja, nennen wir es mal "Liga", und während des Sommers finden dort sieben Mal Wettkämpfe statt. Wenn man an 5 dieser Rodeos teilgenommen hat qualifiziert man sich für die End-Rangliste, bei der es ein paar tausend Dollar für die ersten 5 Plätze zu gewinnen gibt - bei einem Feld von gut 40 Teams - alle aus der näheren Umgebung, man meint gar nicht wie viele Ranches hier noch gibt - muss man sich da schon anstrengen.
Heute war der drittletzte Wettkampf des Jahres und es waren tatsächlich mehr teilnehmende Cowboys/girls da als Zuschauer - und unter denen war ich wohl der einzige, der nicht in irgendwelchen verwandtschaftlichen Beziehungen mit wenigstens einem der Teilnehmer stand.
Auch war das mal wieder eine rein weiße Angelegenheit - ich frage mich mittlerweile, ob der andere Teil der Bevölkerung, immerhin so um die 30 Prozent, sich für überhaupt irgendetwas interessiert was mit der hiesigen Kultur zu tun hat. Dass die beiden Bevölkerungsteile mehr oder weniger desinteressiert neben einander her leben wusste ich ja schon aus meinen vorigen Aufenthalten hier. Aber ich habe den Eindruck, dass diese von allen gewollte Trennung inzwischen viel deutlicher und konsequenter geworden ist. Dabei existieren Statistiken, die zeigen dass im Wilden Westen rund 15% der Cowboys eben nicht Weiß waren. Hier und heute in Ardmore, Alabama allerdings - nada, noting, zulp, zilch ...
Nun ja, mir hat es Spaß gemacht mit all den Westernhüten, Cowboystiefeln und Schnauzbärten um mich herum, den Pferden, Stieren und diversen Insekten, die diese Tierchen ständig umschwirren. Und natürlich hat über der ganzen Arena dieser unverwechselbare Duft nach echtem Landleben gehangen ...
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