Nicht, dass man mich wegen meines Crimson Tide Championship T-Shirts angestarrt hätte. Aber mir kamern die Gebräuche, Sitten und Verhaltensweisen der Menschen dort merkwürdig vor.
Schon alleine das normnale Straßenbild, völlig anders als in Huntsville - unzählige junge Menschen, Teenager und Twens, in leichter, beim weiblichen Teil zuweilen extrem sparsamer, Sommerkleidung tummelten sich in den Fußgängerzonen und Einkaufszentren. Hier sieht man soetwas nicht - Minderjährige, die am Wochenende nach 18 Uhr in der Mall ohne Begleitung eines Erwachsenen angetroffen werden, werden als Streuner und Hausfriedensbrecher behandelt. Auch sonst achtet die Polizei sehr genau darauf, dass die Jugend unter Kontrolle bleibt - rotten sich mehr als drei Jugendliche irgendwo zusammen ohne dass ein Erwachsener Aufsicht führt, sind die Streifenwagen nicht weit. Sich irgendwo treffen um gemeinsam ins Kino zu gehen? Besser fragt man Mama oder Papa ob sie Zeit haben die Gruppe zu begleiten ...
Der Burger-Index als universeller Gradmesser des Wohlstands eines Landes (man nehme den Preis eines BigMac und berechne welchen Anteil am Durchschnittsverdienst das ausmacht) ist ja hinlänglich bekannt und akzeptiert. Ein weiterer Gradmesser für die "Modernheit" eines Landes ist, wie die jeweiligen McDonalds infrastrukturell ausgestattet sind. In Amiland funktioniert der typische McDonalds immer noch so, wie vor dreißig Jahren - jede Menge Personal, spackige Sitze, free refills.
Nur langsam taucht hier und dort ein McCafe auf - die wirklichen Inovationen (auch auf kulinarischer Seite) probiert das Unternehmen mitlerweile lieber erst in Europa (und hier vor allen Dingen in Deutschland) aus.
Und siehe da, auf dem Frankfurter Flughafen findet sich eine "Easy Order" Station. Kreditkarte rein, auf dem drucksensitiven Bildschirm die Auswahl treffen und das Menu am Counter abholen. Das die dort auch free refills haben und ein McCafe, versteht sich von selbst.
Auch auf dem Energiesektor glänzen die USA nicht gerade mit überbordenden Ideen, um die Abhängigkeit vom Öl loszuwerden.
Man erträgt lieber mit geballter Faust eine Ölpest wie jetzt im Golf von Mexico, anstatt auf saubere, zukunftsträchtige Energiegewinnung zu setzten.
Man mag von den Windrädern, die mitlerweile in Deutschland überall wie Pilze aus dem Boden schießen, aus ästhetischer Sicht halten was man will - aber eine sauberere Energie gibt es kaum.
Nun, vielleicht noch Sonnenernergie. Als ich meine Eltern besuchte ist mir aufgefallen, wieviele Dächer im Dorf inzwischen mit Fotovoltaik-Platten bedeckt sind. Zusammen mit der Windernergie reicht das sicherlich nicht aus um Schwerindustriebetriebe zu betreiben - aber ein Beitrag zur Umwelt- und Energieressourcenschonung ist das allemal. Und ein Schritt in die richtige Richtung. In den USA weiß man noch nicht einmal, dass soetwas wie eine "richtige Richtung" in der Energiepolitik überhaupt möglich ist. Und die, die es ahnen, trauen sich nicht es zu sagen - Öl wird nicht in Frage gestellt, sonst landet man auf der Liste der "Ökoterroristen".
Dieses Bewußtsein, dass Öl zu einer Sackgasse geworden ist und dass diejenigen, die es aussprechen keine gefährlichen Spinner und Umstürzler sind, muß in Amiland erst noch geschaffen werden.
Auch in dem Feld, in dem Öl am meisten eingesetzt wird, im Transport von Menschen und Gütern, gibt es himmelweite Unterschiede. In Amiland setzt man sich ins Flugzeug, holt sich am Zielort einen Mietwagen und ist unabhängig und frei.
In Deutschland fährt man innerhalb des Landes bei Fernreisen mit Bussen und Bahnen. Grundsätzlich ja nicht schlecht, hat jedoch so seine Tücken.
Eine davon ist, dass es in den Zügen der Deutschen Bahn keine Abstellmöglichkeiten für größere Koffer gibt. Alles was man in den Hutablagen über den Sitzen unterbringen kann, sind Reisetaschen oder Rucksäcke. Flug/Fernreisende, eventuell sogar mit mehr als einem Koffer, gucken da in die Röhre. Vielleicht ist das ja eine so verschwindend geringe Minderheit, dass es sich einfach nicht lohnt darauf Rücksicht zu nehmen, dass manche Leute mit mehr Gepäck als einem MP-3 Player und einer Wasserflasche reisen. Hat mich sehr geärgert, dass ich meinen wirklich nicht übermäßig großen Koffer nirgends vernünftig unterbringen konnte auf meinen diversen Bahnfahrten durch die deutschen Lande.
Dafür waren die Züge aber alle recht pünktlich und die Preise auch gar nicht so schlimm - wenn man früh genug Tickets mit Zugbindung kauft. Und mit dem ICE durch die Landschaft zu rauschen macht schon Spaß - man sieht viel von Deutschland, wenn auch nicht immer die Schokoladenseite.
Viel sehen tut man auch, wenn man bei einem Radler und einem leichten Snack in der Fußgängerzone einer schönen Altstadt, zum Beispiel in Rinteln, sitzt. Das kann man in Amiland zum großen Teil vergessen, weil sie dort erstens generell keine schönen Altstädte haben und zweitens gerade in Alabama die Klimabedingungen so sind, dass kein vernünftiger Mensch auch nur fünf Minuten zur Mittagszeit im Freien verbringen würde. Die Temperaturen waren tatsächlich relativ vergleichbar in der Woche, nur ist die Luftfeuchtigkeit in Alabama ca. 80%, während sie in Deutschland nicht weiter erwähnenswert war. Trotzdem, lieber Alabama-Wetter mit Klimaanlage, als Deutschland-Wetter ohne.
Außer gutes Bier zu trinken und gut zu essen habe ich in der Woche vor allen Dingen eingekauft. An manche Sachen kommt man in den USA nämlich nicht (oder nur sehr schwer und extrem teuer) heran - Rum Aroma für's Backen zum Beispiel oder gute, verträgliche Kindermedikamente, die die Kleinen nicht gleich in den nächsten Orbit schießen.
Oder vernünftige Schuhe - in meinem Fall welche von GEOX, die mit der atmungsaktiven Sohle. Dafür fährt man dann auch schon mal dreißig Kilometer bis nach Cammer, zu Niemöllers. Die haben ein großes Geschäft in einem ehemaligen Bauernhof eingerichtet, gleich neben Päpinghausen. Keine böhmischen, sondern westfälische Dörfer.
In Amiland fahre ich zur nächsten Mall, die hat alles und ist in der Regel nur zehn Minuten weit entfernt - sofern man nicht in der totalen Provinz lebt, dann ist sie praktisch außer Reichweite. In deutschland gibt es solche gegenden, völlig abgeschnitten vom 21. Jahrhundert, überhaupt nicht.
Nun ja, dafür gibt es Malls mittlerweile auch in Deutschland. Das Löhr-Center in Koblenz qualifiziert als solche und jetzt auch die neue Stadtgalerie in Hameln. Und genau wie in den US Einkaufszentren sieht man in den meisten Geschäften kaum Kunden und man fragt sich, wie die überhaupt überleben können.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den deutschen und den amiländischen Einkaufszentren ist, dass das Parken in den ersteren Geld kostet und in den zweiteren frei ist.
Ansonsten schreitet die Amerikanisierung der Konsumtempel immer weiter voran - in der Stadtgalerie in Hameln gibt es sogar einen Subway Fast Food Laden.
Die ganzen Ami-Fast-Food-Ketten bräuchte es dabei gar nicht in Deutschland, denn die inzwischen zur Multi-Kulti gewandelte Gesellschaft hat die Auswahl zwischen allen möglichen exotischen Geschmacksrichtungen.
Waren es früher noch die italienischen, jugoslawischen und griechischen Restaurants, danach die Döner-Buden, die für Abwechslung im Speiseplan sorgten, ist das Angebot heute unüberschaubar geworden.
Und anders als in den USA, wo jeder Chinese, jeder Mexikaner sein Angebot dem Geschmack der breiten Ami-Masse anpasst (was meist frittiertes Zeug mit viel Käse innen drin und außen herum bedeutet), bleibt die Identität des fremden Essens in Deutschland überwiegend erhalten.
Das gilt leider auch für die Identität der meisten nicht-in-Deutschland-geborenen-Bürger. Die behalten sie, geben sie an ihre Kinder weiter und verweigern sich der Anpassung an ihre neue Umgebung. Vielmehr versuchen sie, diese nach ihren eigenen Vorstellungen zu prägen. Integration sieht anders aus.
Auf dem hannoverschen Hauptbahnhof kam ich mir vor wie in einem Städtchen hinterm Ural - alles um mich herum sprach russisch. Nun ist das verständlich bei älteren Leuten, die damit aufgewachsen sind und gar nicht anders können. Aber auch die junge, wahrscheinlich bereits in Deutschland geborene Generation, macht offensichtlich keine großen Anstrengungen, sich einzugliedern.
In den USA mag die Generation der Eltern auch noch die Sprache der alten Heimat sprechen. Ihre Kinder und Enkel jedoch sind dann schon nicht mehr von den anderen Amiländern zu unterscheiden. Jeder versucht sich so schnell und perfekt wie möglich anzupassen, einzugliedern, mitzumachen. Über die Gründe dafür kann man bestimmt trefflich spekulieren - einer davon könnte vielleicht in der Tatsache liegen, dass man in den USA brutal scheitert und untergeht, wenn man nicht mitspielt und in Deutschland permanent versucht wird die Regeln so zu ändern, dass auch der unangepassteste Aussenseiter ja seine Chance bekommt.
Multi-Kulti ist ja ganz schön, aber mehrere Parallel-Gesellschaften in einem Land zu haben wird auf die Dauer nicht funktionieren - das gibt garantiert irgendwann Stunk.
Aber vielleicht bewahrt uns ja die ganz besondere deutsche Sicherheits-Mentalität vor dem Schlimmsten. In den USA wird jedem ersteinmal grundsätzlich vertraut, in Deutschland kontrolliert man besser.
In US Supermärkten sind in der Regel zwischen Kasse und Ausgang noch Regale mit Waren aufgestellt. Cola-Produkte, Fünf-Kilo-Beutel mit Eiswürfeln, Hundefutter oder Katzenstreu ist so das übliche, was man dort findet. Entweder fährt man mit seinem Einkaufswagen einfach an der Kasse vorbei, lädt das Hundefutter ein, dreht um und fährt dann erst mit seinen Einkäufen zur Kasse. Oder aber man geht erst zur Kasse und sagt, was man noch aus dem Regal beim Ausgang mit zu nehmen gedenkt und bezahlt das gleich. Klar, die Möglichkeit statt einem Sack Hundefutter gleich zehn einzuladen besteht. Aber wie gesagt, man vertraut auf die Ehrlichkeit der Leute - und das klappt auch überraschend gut.
In Deutschland stattdessen findet man am Eingang eines Supermarktes in den meisten Einkaufszentren eine Boxengasse vor - in die man (gegen Pfand natürlich) gefälligst seine Handtasche, Einkaufstüten oder Rucksack einsperrt, bevor man den Verkaufsraum betritt. Man könnte sich da ja zehn Sack Hundefutter reinstopfen und damit abhauen.
Wie gesagt, Kontrolle ist die Mutter der Porzellankiste und Vertrauen ist keinen Cent wert.
Es sind generell nicht die großen Unterschiede, die ein fremdes Gefühl aufkommen lassen wenn man ein anderes Land besucht, sondern die Summe der kleinen. Dinge, die man tut ohne darüber nachzudenken, und die in der einen Gesellschaft völlig normal sind und in der anderen Kopfschütteln, Gelächter oder Entsetzen hervorrufen.
Wenn man lange genug in einem anderen Land lebt nimmt man die speziellen Gewohnheiten an und die Erfahrungen und die Routinen, die man mitgebracht hat, treten in den Hintergrund.
Es ist wie mit dem Fahrradfahren - man verlernt es zwar nicht, wenn man es jahrelang nicht mehr ausgeübt hat, aber bevor man wieder sicher wird, ist erstmal ein Schlingerkurs angesagt.
Ich bin jedenfalls froh, jetzt wieder zu Hause zu sein und hier drüben wieder Auto fahren zu können - mit Klimaanlage ...
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